Menu

Seiten

20.09.2018

Ghetts: Ghetto Gospel: The New Testament (Albumkritik)

 

ghetts grime artist 01

 

Ghetts: Ghetto Gospel: The New Testament (Caroline International)

 

 

Ghetts mag einer der Künstler sein, die von Anfang an im Grime-Genre aktiv waren, aber er hat es nie zu so viel Ruhm und Beliebtheit gebracht wie einige andere Wegbereiter. Das liegt zum Teil daran, dass er einen großen Bogen um das Grime-goes-Pop-Phänomen der späten Nullerjahre – jenes, das Skepta und anderen einige fehlgeleitete Top-40-Hites einbrachte -, ist aber auch darauf zurückzuführen, dass er es nicht schaffte, auch außerhalb des Genres wahrgenommen zu werden. Er hat sich nicht online zur Witzfigur gemacht wie Big Narstie und Lethal Bizzle und konnte auch nicht von der Zusammenarbeit von Grime-Fans wie Kanye und Drake profitieren. Was dem Künstler aus dem Osten Londons an populistischem Gespür fehlt, macht er mit enormer Hingabe an den Sound wett – und, wenn sein zweites richtiges Album als Maßstab gelten kann, der starken Überzeugung, dass Grime als Vehikel für mehr als bloß Drohungen, Großspurigkeit und die öffentliche Darlegung persönlichen Grolls taugt.

 

In „Next of Kin“ und „Window Pain“ lässt er in Geschichten von Straßengewalt viel Empathie einfließen, wobei er mehrere Perspektiven nutzt, um brutale Details mit Gefühl zu kombinieren.

 

In „Jess Song“ – über eine Frau, die an Krebs leidet – reimt er “hard shoulder” mit “osteosarcoma” und schafft es dabei, Mitgefühl und erzählerischen Zusammenhang zu bewahren. Mit diesem Track erweitert er die Grenzen des Genres ebenso wie mit dem wirklich brillanten „Black Rose“, auf dem er voller Wut die romantischen Doppelstandards thematisiert, unter denen schwarze Frauen zu leiden haben.

 

Ghetto Gospel ist aber nicht nur gefühlvolle Sorge. Es wird auch viel unterhaltsames, aber weitgehend wenig bemerkenswertes Grime-Füllmaterial geboten – Tracks, die Ghetts’ aggressiven Staccato-Flow in den Mittelpunkt stellen, während die unruhige, düstere Begleitung wenig Abwechslung bietet. „Pick Up the Phone“, das mit dem erfreulich monotonen Knurren von President T aufwartet, reiht wortgewandte, aber seltsam ominöse auf dem Mobiltelefon basierende Betrachtungen aneinander, während „London“ eine kühle Ode an die Hauptstadt ist, begleitet von marschierenden Synthesizerklängen, und „Houdini“ interpoliert den ewigen Grime-Referenzpunkt, Beenie Mans „Who Am I“. Der Titel des Albums ist nicht nur ein netter Wortwitz – einige Gospel-Anspielungen sind vorhanden -, aber diese Tracks werden ihm wohl keine große evangelistische Fangemeinde einbringen. Sie sind aber eine Erinnerung an Ghetts’ Bedeutung für die Grime-Welt und etablieren ihn als das wortgewandte und künstlerische Gewissen des Genres.

 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen