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15.09.2018

Paul Simon: In the Blue Light (Albumkritik)

 

paul simon 04

 

Paul Simon: In the Blue Light (Legacy)

 

 

Während er sich darauf vorbereitet, seinen Abschied vom Touren mit einer allerletzten Show in Queens, New York, der Gegend, aus der er stammt, zu feiern, erfreut uns das 14. Soloalbum des mittlerweile 76-jährigen Paul Simon mit 10 Songs aus seinem umfangreichen Katalog, die seiner Meinung nach “almost right, or overlooked” waren, weshalb er ihnen eine Behandlung zuteil werden ließ, die er mit “a new coat of paint on the walls of an old family home” vergleicht. Andere Künstler, etwa Kate Bush und Peter Gabriel, haben dies auch schon versucht, aber kaum einer hatte dabei so viel Erfolg wie Simon, der sich (und die Songs) hier in Bestform präsentiert. Begleitet wird er von einer exzellenten Band, der unter anderem der Jazztrompeter Wynton Marsalis und der Gitarrist Bill Frissell angehören. Die einfallsreiche Interpretation von „Can’t Run But“ (vom The Rhythm of the Saints Album) des Kammerensembles yMusic und das großartige „René and Georgette Magritte With Their Dog After the War“ (ursprünglich auf Hearts and Bones) sind von Simons aktueller Homeward Bound Tour her bekannt. Ersterer Song wurde modernisiert, sodass Simon nun einen DJ hört, dessen “sub bass feels like an earthquake”.

 

Es finden sich hier vier Songs des 2000 erschienenen Albums You’re the One, von dem Simon zu meinen scheint, es sei sein am wenigsten gewürdigtes. Hits und Material von Graceland sucht man vergeblich. Allgemein lassen die sparsameren Arrangements mehr Raum für Simons überwältigende Bilder und verblümte, aber relevante Grübeleien über Themen wie Immigration („René and Georgette …“; „The Teacher“), häusliche Gewalt (ein bluesigeres „One Man’s Ceiling Is Another Man’s Floor“) und den Zustand der Menschheit und des Planeten („Questions for the Angels“).

 

Im Geist Orwells gehaltene Satire „Pigs, Sheep and Wolves“ ist nun jazziger, Marsalis’ wunderbares Trompetenspiel in „How the Heart Approaches What It Yearns“ lässt die Atmosphäre des “downtown [formerly ‘local’] bar and grill” wieder erstehen. Das vermittelte Gefühl ist oft nachdenklich, wehmütig, aber Simons beste Überarbeitungen profitieren von seinem Alter und seiner mittlerweile enormen Erfahrung; letztere trägt auch dazu bei, dass es ihm gelingt, seine doch schon ziemlich mitgenommene Stimme immer wieder wirkungsvoll einzusetzen. Der 1975 erstmals veröffentlichte Song „Some Folks’ Lives Roll Easy“ ist viel ergreifender, denn mit seiner vom Alter gezeichneten Stimme entfalten die Worte “Here I am, Lord, I’m knocking on your place of business, but I have no business here” erst ihre volle Wirkung. Simon klingt ganz und gar nicht so, als wäre er mit dem aktuellen Zustand der Welt zufrieden, und das exquisite neue Arrangement von „Love“ unterstreicht Zeilen wie: “When evil walks the planet, love is crushed like clay.” Aber vielleicht ist er nun zufrieden mit einem außergewöhnlichen Kanon.

 

 

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