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Tim Hecker: Konoyo (Albumkritik)

 

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Tim Hecker: Konoyo (Kranky)

 

 

Der kanadische Komponist Tim Hecker hat im Laufe von fast zwei Jahrzehnten seine eigene musikalische Ästhetik geschaffen – stellen Sie sich eine Ambient-Traumlandschaft in einer verregneten Gasse zwischen einer Kirche und einem Nachtclub vor -, die er mit diesem Album wieder ein Stückchen erweitert und verfeinert. Auf seinem vorherigen Album semi-abstrahierte er einen isländischen Chor, nun widmet er sich Japan und arbeitet deshalb mit Tokyo Gakuso zusammen, einer Gruppe, die traditionelle höfische Gagaku-Musik spielt. Hecker bedient sich ihrer Schlaginstrumente, Glockenspiele und fast disharmonischen Streicher – ein berauschender, spiritueller Sound – und rückt diesen Klängen mit der für ihn typischen „disruption“ zu Leibe und deutet damit echte oder psychologische Brüche an.

 

Auf den abenteuerlichsten Tracks, etwa „This Life“ und „Keyed Out“,zittern die Instrumente regelrecht, werfen sich hin und her wie ein Schwerkranker in seinem Bett und kämpfen darum, ins Gleichgewicht zu kommen, während darunter Heckers urtypische Wolken von Statik wogen. Auf dem großartigen „Across to Anoyo“ wird der einzige beständige Puls des Albums von einem irgendwie verrückt melodischen Feedback verdrängt, das seinerseits industriellen Akkorden und Bassnoten puren Schreckens weichen muss.

 

Eine Interpretation könnte sein, dass Hecker, indem er diese spezifisch japanische Musik nimmt und sie ihres nationalen Charakters beraubt, ein Orientalist ist, der Stücke einer Kultur zu Tage fördert, die nicht die seine ist, um sich ihrer wegen ihres exotischen Werts zu bedienen. Aber das wäre kleinlich – das Gagaku-Quellmaterial wird nicht nur sehr gekonnt genutzt und verfremdet, sondern Hecker deutet mit der Art und Weise, wie diese traditionellen Instrumente in seine weiten, oft dystopischen Klanglandschaften hineingezogen werden, womöglich auf das korrumpierte Versprechen der Globalisierung hin. Es findet sich aber auch schnörkellose, unmittelbare Schönheit, vor allem in dem Track „In Mother Earth Phase“, der ein wenig an seine früheren Labelkollegen Godspeed You! Black Emperor in ihren widerhallendsten Momenten erinnert.

 

 

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