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29.06.2019
75 Dollar Bill: I Was Real (Albumkritik)
75 Dollar Bill: I Was Real (tak:til/Thin Wrist )
75 Dollar Bill könnten aus einem Gesellschaftsspiel für Musikwissenschaftler stammen: Ohne auf das Label zu sehen, woher stammen diese Typen? Die einlullenden, zyklischen Riffs erinnern an Lo-Fi-Elektrogitarren, die von Tuareg-Musikern wie Tinariwen oder Mdou Moctar gespielt werden; die Rhythmen könnten mitunter von den marokkanischen Gnawa stammen; das Harmonium-artige Dröhnen unter dem 17-minütigen Titeltrack scheint auf andächtige indische Musik hinzudeuten. Und wenn man sich dann bei der Blues-Rock-Nummer „Tetuzi Akiyama“ sicher ist, dass es sich um eine Bar-Band aus Tennessee handeln muss, stellt sich heraus, dass der Song nach einem japanischen Gitarristen benannt ist, den sie bewundern.
Doch dieses faszinierende, verwirrende Album ist mehr als bloß ein Kuriosum für Musik-Nerds. Dieses Instrumental-Duo aus New York besteht aus dem Gitarristen Che Chen und dem Percussionisten Rick Brown, der auf Holzkisten schlägt, um seine Rhythmen zu kreieren, und nebenbei auch noch “crude horns” spielt – er verleiht diesem Album sein gelegentliches Alan-Lomax-Feeling. Brown ist die lockere, aber robuste Rhythmussektion, die den interessanten Kontrast zu Chens straffem und meisterhaften Gitarrenspiel bildet, besonders hypnotisch auf Tracks wie „WZN3“. Hier werden sie von verschiedenen Gastmusikern unterstützt, darunter Cheryl Kingan auf dem Saxophon und Karen Waltuch auf der Viola, die die Melodie von „Every Last Coffee Or Tea“ verstärken und ausschmücken und in einem mythischen musikalischen Raum irgendwo zwischen Appalachia und New Orleans heben. Ihre Sicht des Blues hat etwas still Politisches an sich: dies ist Musik, die über Kulturen und Grenzen hinweg existiert, etwas zutiefst Menschliches.
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