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12.07.2019

Jesca Hoop: STONECHILD (Albumkritik)


Jesca Hoop


Jesca Hoop: Stonechild (Memphis Industries)



Jesca Hoops fünftes Album ist nach einem Ausstellungsstück in einem Medizin-Museum in Philadelphia benannt: ein zu Stein gewordener Fötus, den einen Frau jahrzehntelang in sich trug. Es ist ein eindringlich evokatives Bild, und eines,d as eine Vielzahl von Widersprüchen enthält: der verletzlichste Mensch verwandelt in festen Stein; eine Existenz, die sowohl zutiefst einsam als auch in eine andere eingefasst ist; ein Leben, das nie wirklich begann, aber auch heute noch existiert. Das ist sehr Hoop. Grenzerfahrungen, kaum wahrnehmbare Räume, die Orte zwischen klar umrissenen emotionalen Grenzen, genau dort hält sich die mittlerweile 44-jährige Musikerin mit Vorliebe auf. Auf Stonechild reduziert die in Kalifornien geborene Künstlerin, die jetzt in Chorlton in England lebt, die zurückhaltenden klanglichen Unregelmäßigkeiten, die ihr den Status als „musician’s-musician“ einbrachten (zu ihren berühmten Bewunderern zählen Tom Waits, Guy Garvey und Stewart Copeland), noch einmal deutlich, aber sie hält unbeirrbar an ihren eigenwilligen Geschichten fest, für die eine schwer festzumachende Traurigkeit kennzeichnend ist.

Hoops vorheriges Album, das 2017 veröffentlichte Memories Are Now, war eine ruhig subversive Variante klassischen „finger-picked“ Singer-Songwriter-Materials, doch auf Stonechild setzt sie auf einen viel konventionelleren Stil, denn sie orientiert sich an den nachdenklichen, uralt klingenden Melodien der traditionellen englischen Folk-Musik. Das Highlight des Albums ist ein Track namens „Shoulder Charge“. Diese schlichte, besinnliche Ballade, die zu Elbow-artigem Indie-Rock-Jubel erblüht, dreht sich um eine nicht näher bezeichnete Tragödie – eine, die einen extrem mitnimmt und zutiefst trifft, aber gewöhnlich genug ist, um die Betroffene zu zwingen, weiterzumachen und Freunde zum Kaffee zu treffen, “armoured in mascara”. Die Kombination von prosaischer Einfachheit und gänzlicher Abwesenheit dieses Songs bedeutet, dass er genau das richtige Gleichgewicht zwischen warmer Nachempfindbarkeit und fesselndem Geheimnis trifft.

Aber das lässt sich wahrlich nicht von allen von Stonechilds Tracks sagen. Ihre Themen sind meist erkennbar – etwa Technologie, Patriarchat, Sklaverei und das Konzept der Zeit -, aber die Komplexität und Undurchdringlichkeit von Hoops Texten kann es schwer machen, sich emotional angesprochen zu fühlen und intensiver mit ihnen auseinanderzusetzen. Auf Stonechild hat Hoop ihren Sound gestrafft. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass dies ihren Texten ebenfalls gut bekäme.



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