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18.07.2019
Purple Mountains: Purple Mountains (Albumkritik)
Purple Mountains: Purple Mountains (Drag City)
David Berman hat ein Leben voll extravaganter Trostlosigkeit geführt. Er war einst ein Cracksüchtiger und nahm einmal vorsätzlich eine Überdosis, um sich dann in das Hotelzimmer zu begeben, in dem Al Gore auf das Ergebnis der Neuauszählung nach der US-Präsidentenwahl des Jahres 200 wartete. Er erklärte diese Aktion wie folgt: “I want to die where the presidency died!” Nachdem sich seine Band Silver Jews 2009 (“Before we got bad”) auflöst hatte, wurde er zum Einsiedler, was zur Folge hatte, dass seine Ehefrau ihn verließ. Er enthüllte außerdem, dass er seinen Vater, der als Lobbyist für die Waffenindustrie und Alkoholunternehmen in Washington, D.C. tätig ist, seit langem aus tiefstem Herzen hasst, und zog sich aus dem Musikgeschäft zurück, um ein Exposé zu verfassen, das zur Verhaftung seines Vaters führen sollte. Es ist bis heute nicht erschienen.
All diese Misanthropie und der ätzende Geist wurden nun zu dem neuen Projekt Purple Mountains kondensiert, das er gemeinsam mit der US-amerikanischen Indie-Folk-Band Woods umsetze, die wunderschön arrangierte, leicht einschläfernde Americana-Begleitung spielt (der offentichtliche Orientierungspunkt ist „Range Life“ von Pavement, - mit ein paar Mitgliedern dieser Gruppe hat Berman bereits aufgenommen). Diese Musik untermalt die vielleicht besten Texte des Jahres. Da gibt es reichlich Pech, sowohl trocken fantastisch – “I met failure in Australia / I fell ill in Illinois / I nearly lost my genitalia to an anthill in Des Moines” – als auch schmerzhaft real, wie auf der paradox fröhlich klingenden symphonischen Popnummer „All My Happiness Is Gone“. Genau wie Stephin Merritt oder Kurt Wagner, zwei ebenso niedergeschlagene, aber ironische Typen, mit denen er sich gut verstehen dürfte – vielleicht bei einem Treffen in einer schäbigen Bar an einem Dienstagabend -, ist er ein Meister im Nutzen alltäglicher Details: “This happy hour’s got us by the balls”, erklärt er in „Margaritas at the Mall“ an, einem Song über Glauben in einer Zeit, die ihn ständig herausfordert. „Storyline Fever“ ist eine beherzte Abrechnung mit seinem Vater. Hier findet sich auch aphoristische Poesie, ob sentimental (“Friends are warmer than gold when you’re old”) oder „gothic“ (“Death is a black camel that kneels down so we can ride”), und sogar ein reizender Song über seine Mutter: “She got where I was coming from / when I couldn’t count my friends on a single thumb.”
Sind das hörbare Vergnügen in Bermans Gesang und die robuste Instrumentierung seine Art, uns wissen zu lassen, dass es ihm unter all dem tatsächlich gut geht? Hoffentlich. Hilferufe waren selten so klar, selbstkritisch und witzig.
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