Das Neueste

The Secret World - Der Spaß und Spiele Test

 

the secret world review 01

Es hat sich also herausgestellt, dass ich ein geborener Dragon bin.

Getreu dem alten Spruch über den Schmetterling, der in Peking mit den Flügeln schlägt und so in der Karibik einen Hurrikan auslöst, sind die Dragons diejenigen, die den Schmetterling in die richtige Position bringen und ihm sagen, wann er mit den Flügeln schlagen soll. Sie sind Agenten des Chaos und schlüpfen durch die Verwerfungen der Realität, wobei sie nicht entscheiden, welche Fäden sie ziehen, sondern welche Fäden sie von anderen ziehen lassen. Sie sehen das Muster. Sie manipulieren das Muster. Sie sind diejenige, die wissen, dass es ein Muster gibt.

Ich habe es also ausschließlich mir selbst zuzuschreiben, dass ich die Templer letztlich ein wenig langweilig fand. Das war meine eigene Schuld. Ich hätte mich für die Dragons entscheiden sollen.

Funcoms ambitioniertes, in der modernen Zeit angesiedeltes MMORPG erschien vor mittlerweile einem Monat. In den ersten Wochen wurde das Spielvergnügen durch Bugs arg getrübt. Ich habe seit der Veröffentlichung fast jeden Tag gespielt und dabei viele der Emotionen erlebt, die mit dem Spielen eines MMORPG verbunden sind. Es gab das anfängliche Hoch, die Momente, in denen es richtig schwer wurde, und die Sessions, in denen ich vor lauter Fluchen kaum zum Spielen kam.

Insgesamt ist es ein Spiel, das sowohl innovativ als auch archaisch ist. Es bringt das Kunststück zuwege, modern und einzigartig zu sein und aktuellen Trends zu folgen, aber zugleich auch Spieldesign aus längst vergangenen Zeiten zu berücksichtigen.

Es ist eine seltsame Kombination. Manchmal werden Sie vom Spiel mehr oder weniger an der Hand geführt, obwohl Sie gar keine Hilfe benötigen. Dann gibt es Momente, da wäre man für ein wenig Hilfe dankbar, aber es ist kein noch so kleiner Hinweis zu finden. Manchmal ist es zu leicht. Manchmal ist es zu schwierig. Es ist eine reine Glückssache. Einzelspieler-Quests führen Sie an der Nase durch die Welt, während andere Systeme – vor allem PvP und Crafting – Sie mit Bleigewichten an den Füßen ins tiefe Wasser werfen und sagen: „Schwimm oder stirb“.

The Secret World setzt die Kenntnis der Sprache der MMORPGs voraus, versucht aber zugleich, diese Sprache zu verändern. Es ist so, als würde man ständig unbewusst etwas sehr Vertrautes hören oder Schilder auf Spanisch und Italienisch sehen, während man nur Französisch versteht. Es ist etwas, das man versteht – und dennoch ist es nicht das, was man erwartet hat.

Einige Teile wirken frisch und neu. Die Story dieser Welt ist eindeutig von Bedeutung. Das ist für mich eine Neuheit bei einem MMORPG. In vielen Spielen haben NPCs versucht, mir die Story in kleinen Happen näherzubringen, aber ich habe diese Gespräche zumeist übersprungen. Es ist eine schlechte Gewohnheit: Quest-Geber finden, Quest akzeptieren, Hinweisen im Journal folgen. Ich habe zwar schon sehr viel Zeit in andere MMOs investiert, aber ohne mich groß für die Geschichte zu interessieren, die alles zusammenhält.

Hier können Sie die Dialoge und NPCs nicht überspringen und dann das Spiel noch immer verstehen. Und zum ersten Mal wollte ich das auch nicht tun. Sie haben einiges zu sagen und tun dies in sehr detaillierten und mit guten Sprechern umgesetzten filmischen Sequenzen. Es ist nicht einfach eine Welt, in der es Storys gibt; die Welt ist eine Story – und es liegt an Ihnen, diese aufzudecken.

Die für die NPCs geschriebenen Dialoge sind so stark, dass ich mich noch immer ärgere, dass mein Templer stumm bleibt: ich möchte, dass er sich mehr mit seiner Umwelt auseinandersetzt, damit auch ich intensiver in diese Welt eintauchen kann. Das Ganze kommt so nahe an ein Abenteuerspiel oder ein Einzelspieler-Rollenspiel heran, dass ich mir bei jeder filmischen Sequenz Dialogoptionen erwarte, weshalb der Umstand, dass mein Spielcharakter erzwungenermaßen gänzlich stumm bleibt, eine Distanz schafft, die ich nicht überbrücken kann.

Diese Distanz ist der Kern der Probleme von The Secret World. Der Spielcharakter, wer auch immer er oder sie sein mag, gleitet ohne echte Einbindung durch die Welt. Da so vieles, was der Spieler erkundet, in der offenen Welt und mehr oder weniger auf freiem Feld angesiedelt und nicht fix vorgegeben ist, stellt sich immer wieder das Gefühl der Vergeblichkeit ein. Es spielt keine Rolle, wie viele Wellen von Zombies Sie besiegen, die Untoten werden immer weiter die Station des Sheriffs angreifen, solange irgendjemand das Spiel spielt und den entsprechenden Spielabschnitt erreicht. Sie werden immer die Sirenen hören und immer zu Hilfe eilen können.

Die Zusammenarbeit funktioniert automatisch: wenn ich für Quest A gegen eine Zombiehorde kämpfe und Sie für Quest A gegen eine Zombiehorde kämpfen, erhalten wir beide, wenn am Ende des Ring-Events der Boss auftaucht, volle Erfahrungspunkte und Beute. Das ist auch so, wenn ich den Boss selbst überhaupt nicht angreife. Das ist praktisch und kooperativ. Schon ziemlich früh entdeckte ich das /bow Emote, mit dem ich mich leicht bei allen bedanken konnte, die mir unterwegs halfen.

Aber das verstärkt auch das Gefühl der fehlenden Verbindung mit der Welt. Die Kämpfe sind flüssig und schnell, aber man hat irgendwie den Eindruck, nicht direkt damit zu tun zu haben. Es besteht ein altmodisches Gefühl der Kluft zwischen den Kampfanimationen des Spielcharakters und der Realität der Platzierung und der Bewegungen der Monster. Das hat mich nie groß gestört und stört mich auch hier für sich genommen nicht, aber als Symptom eines umfassenderen Gefühls der Distanz passt es in ein Puzzle, das ich nicht ganz lösen kann.

Da wir gerade von „Puzzles, die ich nicht ganz lösen kann“ reden, möchte ich erwähnen, dass das Crafting System in The Secret World stumpfsinniger und sinnloser ist, als es sein sollte. Es ist einfach genug, die wichtigen Bestandteile zu erbeuten oder zu kaufen, und ebenfalls sehr einfach, bestehende Gegenstände, in ihre Bestandteile zu zerlegen, aber daraus neue Gegenstände herzustellen, macht im Grunde keinen Sinn.

Guides sind für das Herstellen von Gegenständen unbedingt erforderlich. Und damit meine ich nicht einen Guide/eine Anleitung im Spiel. Nach einigen frühen Quests, in denen das Konzept vorgestellt wird, konnte ich bis jetzt keinen einzigen finden. Es sind von Spielern erstellte Online-Guides erforderlich, um die Arrangements von Elementen zu erlernen, die „Talisman“ oder „Faustwaffen“ erzeugen. Der Browser im Spiel hilft dabei, einige zu finden. Aber zu Beginn des Spiels ist das Crafting System alles andere als solide. In späteren Levels – Entschuldigung, Quality Tiers (Qualitätsebenen) - scheint es möglich, mit seltenen Teilen und Erfindungsgabe tolle Gegenstände herzustellen.

the secret world review 02

Als das Spiel veröffentlicht wurde, fehlten einige wichtige Features der Kommunikation und sozialen Interaktion. Bis zum 31. Juli gab es keinen Marktplatz, kein Auktionshaus und auch keinen wie auch immer gearteten Zwischenhändler. Da es keine einfache Methode gibt, Gegenstände zu kaufen, zu verkaufen oder zu tauschen, fehlt eine echte Ökonomie, die die Spieler bei der Stange halten könnte. Bis zur Hinzufügung des Marktplatzes gab es auch keinen Grund, sich näher mit dem Crafting zu befassen. Da dieses Feature nun endlich implementiert ist, wird die Jagd nach guten Ausrüstungsgegenständen – und nach einem Schnäppchen – wohl um einiges unterhaltsamer.

Das Spiel selbst ist für soziale Interaktionen sehr gut strukturiert. Obwohl die Spieler Charaktere auf einem bestimmten Server – hier Dimension genannt - kreieren, spielt es eigentlich keine Rolle, auf welchem. Einige sind speziell für nicht Englisch sprechende Spieler gedacht, andere sind RP-freundlich, aber die Spieler können trotzdem über Dimensionen hinweg Gruppen bilden. Nicknames sind in der gesamten Welt einzigartig, weshalb Sie, wenn Ihr Kumpel Bobby auf Huldra und Ihr anderer Kumpel Jim auf Cerberus ist, trotzdem beiden Gruppeneinladungen schicken und sich mittels der „meet up“ Funktion zum gemeinsamen Spiel in einem Abschnitt treffen können. Die Dimension (Server) spielt im Grunde nur bei PvP eine Rolle.

PvP kann entweder großartig oder ein Durcheinander sein. Bei einigen Dimensionen ist es schon zu einem großen Ungleichgewicht unter den Spielern gekommen, weshalb es Server gibt, auf denen die Templer oder die Dragons dominieren. Als ich mich zum ersten Mal in die Fusang Projects einloggte, konnte ich nur noch fluchen. Ich war nur verwirrt und fand keine praktische Möglichkeit, mich zu orientieren. Schließlich erkannte ich, dass man in der ständigen Kriegszone am ehesten überleben kann, wenn man der Menge folgt. Es spielt keine große Rolle, wer in Ihrer Gruppe ist, außer es sind Kumpel oder Mitglieder Ihrer Geheimverbindung. Das wichtigste ist, immer dem Schwarm zu folgen. En masse bewegt sich Ihre Gruppe von Punkt zu Punkt, wobei Anlagen und Spawn Points einzunehmen sind. Wie in PvE Kämpfen erhalten Sie hier Punkte für Kills in Ihrer unmittelbaren Umgebung, auch wenn Sie für diese gar nicht direkt dafür verantwortlich sind.

Ich finde, dass der Schwarm eine gute Taktik ist, aber letztlich abtörnt. PvP ist lediglich eine Möglichkeit, mehr zu spielen und die Ausrüstung sowie die Skills aufzuleveln. Mann muss dafür nicht sonderlich gut werden, sondern nur erkennen, wann man die Fähigkeiten-Sets wechseln muss, weil der Schwarm nur noch über wenig Gesundheit oder wenige Tanks oder wenige Fernkämpfer mit hohem DPS verfügt. In einem Schwarm sind Sie weniger verwundbar, aber das trifft auch auf Ihre Gegner zu. Die Fusang Projects führen auf einem gut ausbalancierten Server zwangsläufig zu einem dauernden Patt. Ich hatte keinen Spaß im PvP. Mit einer Gruppe von Freunden sieht das sicher anders aus.

Die größten Vorzüge hat The Secret World sicher im Bereich der Story, wo auch die größten Innovationen zu bemerken sind. Andere in der jüngeren Vergangenheit veröffentlichte MMOs, zum Beispiel Star Wars: The Old Republic, versuchten mit der angeblich starken Geschichte zu punkten, aber The Secret World ist bis jetzt das einzige, das wirklich Wort gehalten hat. Nach nur einem Monat werden bereits neue Story-Inhalte herausgebracht und es werden weitere Inhalte im Monatsabstand versprochen. Wenn es wirklich gelingt, die Spieler ständig mit neuen Inhalten zu versorgen, scheint der Erfolg gesichert.

Die zweite große Stärke ist die Ansiedlung des Geschehens in der realen Welt. Die Charaktere sprechen nicht in ominösen, überreizten, anachronistischen Tönen, außer es ist unbedingt erforderlich. Die Illuminati benützen gerne Meme und die NPCs spielen nicht nur auf Literatur und Geschichte, sondern insbesondere auch auf Videospiele an.

the secret world review 03

Es ist ein schmaler und sehr gefährlicher Grat zwischen „clever“ und „zu clever“, auf dem sich The Secret World da bewegt. Aber das ist passend, denn das Spiel zeigt eine Realität, die die unsere ist, in der aber auch all die Geschichten, die wir einander im Laufe der Jahrhunderte erzählt haben, wahr sind.

Vielleicht ist Stonehenge wirklich ein Sitz der Macht. Vielleicht sind die Illuminati wirklich die reichen und mächtigen Gestalter des Schicksals. Es wäre möglich, dass die Magie an den Rändern unserer Welt auf der Lauer liegt und nur darauf wartet, hereinbrechen zu können. Mythen, Legenden und Märchen müssen ja irgendwo ihren Ursprung haben. Vielleicht handelt es sich dabei nicht nur um Allegorien und Moritaten.

Dies ist das Herz von The Secret World: die Geheimnisse drängen an die Oberfläche. Und zwar nicht nur die großen Geheimnisse, sondern auch die kleinen. Das Spiel hat unter Bugs zu leiden und einiges könnte verbessert werden, aber das Herz ist schon vorhanden – und sehr gut.

PRO: Aufleveln ohne strikte Klassen; sehr interessante Story; Austausch von Skill Sets und Ausrüstung geht sehr schnell und einfach; Investigation Quests fordern die grauen Zellen.

CONTRA: Aufleveln ohne strikte Klassen, da man ohne Vorgaben leicht einen Charakter kreieren kann, der nicht in der Lage ist, im weiteren Verlauf des Spiels oder in bestimmten Gebieten zu bestehen; die PvP Zonen.

Abschließende Bewertung

Spiel: 8,5

Spaßfaktor: 8,25

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Spass und Spiele Designed by Templateism.com Copyright © 2016 |

2013 - 2016 Spass und Spiele. Designbilder von Bim. Powered by Blogger.