BJ Blazkowicz rennt auf dem Gerüst herum, das den Rand des Moon Dome umgibt. In jeder Hand hält er eine riesige Schrotflinte und der Lärm den diese machen, erinnert eher an einen Lastzug als an Schusswaffen – ein pochendes „CHUNKA CHUNKA CHUNKA“, auf das ein beherztes „CHOO CHOO“ folgen sollte. Es folgt nicht. Wolfenstein: The New Order ermöglicht dem Spieler, auf verschiedene Weisen an die Arena-Kampfbegegnungen heranzugehen, aber ich entschließe mich, das Moon Dome zu bewältigen, indem ich beide Trigger gedrückt halte und möglichst schnell in gerader Linie laufe.
Es funktioniert. BJs zwei Schrotflinten schießen große Stücke von dem Modellmond in der Mitte des Raums und lassen Anhänger des Dritten reichs durch zerborstenes Glas auf den Boden knallen.
“Ever since you got to kill Hitler in the first game, it’s been about alternate history“, erläuterts Senior Gameplay Designer Andreas Ojefors Arena. “We took that and ran with it. We asked the question, ‘what would happen if the Nazis won the war?’” Das ist schön und gut, doch die Frage, die The New Order befriedigender beantwortet, ist: „Was würde ein Presslufthammer tun, wenn er eine Nacht Mensch sein dürfte?“
Eine weitere unbeabsichtigt beantwortete Frage ist diese: Wie sähe der First-Person-Shooter 2013 aus, hätte irgendjemand anno 1997 entschieden, jedes Jahr ein neues Quake herauszubringen? The New Order ist zwar kein id Software Shooter, aber das Spiel ist sich seiner Herkunft sehr wohl bewusst.
BJ wird mit einem Auto zur London Nautica – der Forschungseinrichtung der Nazis, in der sich das Moon Dome befindet – gebracht, in dessen Zündschloss ein Schlüssel mit einem kleinen Quake 3 Arena Raketenwerfer als Anhänger steckt. Das Spiel mischt modernes und Retro-Design, weshalb es sowohl teilweise regenerierende Gesundheit als auch Medi Packs gibt, wobei letztere auch exzessiv geschluckt werden können, um die eigene Gesundheit kurzfristig auf über 100% zu verbessern, ganz in der Art von id.
“We tried to combine the best of the old-school shooter design with the new“, erklärt Ojefors weiter. “There are things that shouldn’t have been left behind, and things that should.”
Der gute Mann besteht darauf, dass Wolfenstein ein Action-Abentuerspiel und kein Shooter sei – aber, nun ja, es ist unverkennbar ein Shooter. Die nicht-Kampf-Ideen werden in Form von Umgebungsrätseln präsentiert, wozu noch Stückchen einer linearen Geschichte kommen, beides nicht völlig deplaziert in einem Spiel, das auch Schrotflinten von der Größe von Eisenbahnschwellen bietet. Was ich zu sehen bekam, war gut umgesetzt.
Machine Games besteht zum Teil aus Veteranen von Starbreeze, dem Entwickler der wirklich gelungenen The Darkness und Chronicles of Riddick Spiele und, quasi als Kontrast, des lautstarken und beschi**enen Syndicate Reboots. Die stilisierte Ultragewalt und die interessanten, charaktervollen Dialoge sind hier deutlich zu bemerken, vor allem auch in der frühen Sequenz, in der Blazkowicz von SS Offizier Frau Engel und ihrem arischen Toyboy Bubi über seine Abstammung ausgefragt wird. Stellen Sie sich eine Mischung aus Tarantinos Inglourious Basterds und BioShock, um eine ungefähre Ahnung vom Ton zu haben.
The New Order ist außerdem durch einen dicken Strang priapeischer Albernheit mit Starbreezes früheren Werken verknüpft. BJs Schrotflinteneinsatz ist von derselben unkritischen hypermachoartigen Großtuerei geprägt wie die tödlichen Tentakelwaffen von The Darkness und, ahem die gesamte Karriere eines gewissen Vin Diesel. Wenn der Industrial-Metal-Soundtrack einsetzt und unzählige Nazis nur darauf warten, erschossen zu werden, dann kann man hier jede Menge unkritischen Macho-Spaß haben.
Die neueren, intelligenteren Ideen von The New Order wirken in diesem Kontext ein wenig seltsam. Blazkowicz verfügt nun auch über eine verbesserbare Laserwaffe, die man zwischen einem tödlichen und einem die Szenerie zerschneidenden Feuermodus umschalten kann. Letzterer dient dazu, Geheimnisse zu finden und Umgebungsrätsel zu lösen, und clevere Programmierarbeit bedeutet, dass diese Waffe die Welt in Abhängigkeit von den Bewegungen Ihres Cursors zerschneidet.
Sie möchten sich Munition aus einer Kiste besorgen? Sie müssen nur ein Loch schneiden, das so groß ist, dass BJ durchgreifen kann. Sie möchten ein Loch in einen Maschendrahtzaun machen, finden aber Rechtecke langweilig? Dann schneiden Sie sich doch einen amüsanten Eingang in Penisform zurecht!
Der Laser ermöglicht auch heimliches Vorgehen. Sie können sich in Deckung begeben, eine kleine Öffnung für Schusswaffen in die Deckung schneiden und dann mit einer Ihrer anderen Waffen auf die Feinde schießen, ohne entdeckt zu werden. Das ist etwas, das ich bis jetzt in keinem anderen Shooter tun konnte – und es ist schön, überrascht zu werden.
Das einzige Problem ist die Dissonanz – der Tempowechsel funktioniert nicht ganz und der hohe Schwierigkeitsgrad des Charakters/Builds, den ich spielte, bedeutete, dass ich vorsichtig spielen musste, obwohl mir so viele Optionen angeboten wurden.
Nach meiner Zeit mit The New Order interessierte mich das Spiel wesentlich mehr als davor, aber es ist noch einiges zu tun bis zur Veröffentlichung, die in sechs Monaten erfolgen soll. Das tempo und das Feedback müssen überarbeitet werden, besonders der Übergang von hirnlosen Korridoren zu groß angelegten, gut geplanten epischen Gefechten will noch nicht so recht klappen. Außerdem ist das Spiel extrem kindisch, weshalb viel davon abhängen wird, wie bewusst man sich auf diese Art der Präsentation einlässt. Machine Games’ Starbreeze DNA wird dabei helfen, aber es gibt definitiv Momente, in den sich The New Order wie etwas spielt, das ein Teenager auf die Rückseite seines Geschichtsbuches kritzelt.
Das ist natürlich nicht unbedingt etwas Negatives. Ich nehme an, ich hätte das spiel geliebt, ja geradezu verehrt, als ich 12 war, aber ich frage mich auch, wie sehr sich das Hobby in den Jahren seither verändert hat. Allerdings ist dies noch immer eine Industrie, in der ein erwachsener Mann eine Frage locker mit einer Bemerkung beantworten kann, die mit den Worten “ever since you got to kill Hitler… ” beginnt, weshalb das Ganze wohl Erfolg haben wird.
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