(Warnungg: Die Bilder dieses Testberichts beinhalten leichte, wenn auch unerklärliche Spoiler.)
Jedes Mal wache ich als junges menschliches Mädchen namens Hiyoko Tosaka auf.Jedes Mal komme ich, was wirklich unerklärlich ist, eine Schule für talentierte Tauben: St. Pigeonations Institute.
Jedes Mal wähle ich einen anderen Pfad. Ich lerne eifrig Mathematik, um die Aufmerksamkeit des grüblerischen und gruseligen Doctor Shuu zu erregen. Ich treibe mich in der Bibliothek herum, um Negeki näherzukommen. Jedes Mal entwickelt sich eine seltsame Spezies-übergreifende Romanze.
Jedes Mal lehne ich mich zurück und denke: „Was zum Teufel mache ich da?“
Unbekanntes Gefieder
Hatoful Boyfriend ist ein japanisches Otome-Spiel. Das Wort “otome” bedeutet buchstäblich “Mädchen” und das Genre ist vor allem für Liebessimulationen bekannt, die vorgeblich für junge Frauen gedacht sind. Otome werden normalerweise in der Form von „visual novels“ präsentiert (eine Seltenheit in westlichen Spielen) und sind mehr „Wählen Sie Ihr eigenes Abenteuer“ als Spiel.
In einer „visual novel“ (visueller Roman) liegt das Hauptaugenmerk auf einer geschriebenen Geschichte. Die Bilder helfen dabei, diese Geschichte zu erzählen, und die Entscheidungen der „Spieler“ dienen nur dazu, neue Teile der Geschichte freizuschalten. Und genau die Geschichte ist es, die Hatoful Boyfriend so seltsam macht.
Zunächst wirkt Hatoful Boyfriend wie Scherz – eine lustige, möglicherweise parodistische Version einer Dating-Simulation. Ich verbessere meine drei Stats (Vitalität, Charisma, Klugheit), treffe einfache Entscheidungen (mit wem ich spreche und wo ich hingehe) und erhalte eines der vorgeschriebenen Enden, von denen die meisten romantischer Natur sind. Wäre das alles, wäre Hatoful Boyfriend einfach nur ein seltsamer Aprilscherz – und als solcher begann es auch, nämlich als Internet-Aprilscherz des Manga-Künstlers (nun auch Spieldesigners) Hato Moa.
Doch der Romanzen-Teil des Spiels, der aus je 15-20 Entscheidungspunkten besteht und so schnell durchgespielt werden kann, dass man sich nebenbei nicht einmal Popcorn wärmen kann, ist nur ein Ablenkungsmanöver (red herring). Das wirkliche Spiel – der interessante Teil – ist das, was sich ganz am Ende abspielt. Bei jedem neuen Durchspielen entdecke ich etwas anderes – und Unheilvolles – über die Welt, in der ich mich bemühe, die Aufmerksamkeit einer bestimmten Brieftaube oder Felsentaube zu erregen.
Jenseits des Vogelkäfigs
Hatoful Boyfriends richtige Geschichte wird in seinen Enden erzählt – und zwar vor allem im verlängerten, 2-3 Stunden langen “Hurtful Boyfriend” Ende, das freigeschaltet wird, nachdem Sie wirklich jedes mögliche romantische und tragische Ende des Hauptspiels „abgearbeitet“ haben. Die Standardenden sind bizarr ud mitunter wirklich lustig, etwa dann, wenn Sie herausfinden, was passiert, wenn Sie sich mit dem von Pudding besessenen San anfreunden.
Die verschiedenen Standardenden sind zwar durchaus lohnen, aber ich befürchte, dass nur wenige westliche Spieler die Geduld haben werden, die romantischen Vorlieben aller Tauben im Spiel herauszubekommen, um das erweiterte Ende zu erleben, das eigentlich die zweite Hälfte des Spiels ist. Nachdem man es ein par Mal durchgespielt hat, verkommt das Ganze zu einem ermüdenden Drücken auf den Schnellvorlauf-Button, um die richtigen Entscheidungen aneinanderzureihen und den neuen, noch nicht gesehenen Inhalt zu erhalten.
Das ist wirklich schade, denn die zweite Hälfte von Hurtful Boyfriend ist intensiv, extrem seltsam und irgendwie cool, voll mit Anspielungen auf Dostojewski, Überlegungen dazu, was es bedeutet, Mensch zu sein, und Hommagen an Sci-fi- und Horrorfilme sowie Spiele. Sowohl die visuelle Gestaltung als auch das Skript sind um einiges besser als bei den frühen Inhalten.
Hatoful Boyfriend hat zwar spielerisch nicht allzu viel zu bieten, aber es ist ganz anders als alles, was der typische westliche Spieler vom Desktop starten wird. Das Skript ist wirklich lustig und die Story ist oft provokant und überraschend, auch wenn die Grafik generell nur aus einem plumpen Mashup von Photos und einfachen Hintergründen. Letztlich lohnt es sich allein schon wegen der verrückten, unterhaltsamen Wendungen, die stets zu dem grundlegenden Konflikt zwischen Mensch und Vogel und, seltsamerweise, der fundamentalen Frage, was es bedeutet, ein Mensch zu sein, zurückkehren, dieses Otome-Spiel zu erleben.
Fazit:
Hatoful Boyfriend ist ein einmaliger Blick in die Welt anthropomorph-tierischer japanischer Otome und überraschend unterhaltsam.
Abschließende Bewertung
Spiel: 7,5
Spaßfaktor: 6,5
Details
Preis: $10/£7/€10
Veröffentlichungstermin: 4. September 2014
Publisher: Devolver Digital
Entwickler: Mediatonic, Hato Moa
Multiplayer: Keiner
Link: mediatonicgames.com/games/hatoful-boyfriend
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