Ich habe Kopfstöße erduldet und Kiefer brechende, das Gehirn durchschüttelnde Kracher weggesteckt; ich habe gegen Feiglinge und gegen Betrüger und harte Kerle gekämpft und sie alle leiden lassen. Noch nie habe ich an einem so unfairen Ort gekämpft und unter Bedingungen, die mir diktiert wurden.
„Er ist Sergeant der Gefängnisaufseher“, sagt mein Betreuer in der Ecke, „dieser Referee wird nicht eingreifen. Das bedeutet, dass Du den Weißen K.O. schlagen musst.“
So beginnt Fight Night Champion, EA Sports´ Reimagining (jetzt fängt das bei den Videospielen also auch schon an) des Boxgeres durch die Linse eines Boxfilmes. Wie ein knochiger Schwergewichtsboxer deckt einen das Spiel mit allem ein, mit Gutem und Schlechtem; und wie ein erfahrener Profi macht es einige protzige Sachen nur für die Galerie, ist aber hochkonzentriert, wenn es aufs Ganze geht.
Warum Sie sich für dieses Spiel interessieren sollten
Fight Night Champion ist das erste große Sportspiel, das wirklich nur für Erwachsene gedacht ist. In dem düsteren, filmartigen „Champion Mode“ kämpft man zuerst im Gefängnis gegen Skinheads und diejenigen, die die Kämpfe manipulieren, und setzt dann den Kampf in den traditionelleren Online- und Karrieremodi der Serie fort.
Was mir gefiel
Beste Verteidigung: Full Spectrum Punch Control, bei dem die Fäuste mit dem rechten analogen Stick gesteuert werden, wartet jetzt mit einfacheren Gesten auf. Doch wirklich genial ist die neue Abblockmechanik, die besonders positiv auffällt, weil in diesem Spiel der Verteidigung enorme Bedeutung zukommt, nicht zuletzt aufgrund der One-Punch-Knockouts. Man blockt nicht länger mit Trigger und rechtem Stick in eine Richtung ab; der Trigger steuert das Blocken nun alleine, und zwar in beide Richtungen. Außerdem kann man den Trigger gedrückt halten, um die Deckung oben zu lassen, dann mit gedrücktem Trigger einen Punch anbringen und zur Deckung zurückkehren, sobald der Punch (oder die Kombination) angebracht wurde. Um Schläge zu parieren, muss man nach wie vor den Trigger genau dann rücken, wenn der Gegner zum Schlag ansetzt, das Timing ist also enorm wichtig. Im Multiplayer ist die Verteidigung ein wenig zu stark für das Online-Spiel und man muss schon mit sehr viel Engagement zu Werke gehen, um sie auszuschalten, falls man auf ein K.O. aus ist. Doch die Erkenntnis, dass ich aus meiner Basisverteidigung heraus Schläge anbringen und dann automatisch in sie zurückkehren kann, stellte für mich einen großen Durchbruch in Sachen effektiver Kampftechnik dar.
Der Schlag-Stick: Ja, die Face-Button-Steuerung gibt es nach wie vor. Sie werden sie jedoch außer bei dem Sandsack-Minispiel nicht brauchen. Fight Night Champion entfernt die Winkel von manchen Punch-Bewegungen – kein 135-Grad-Bogen mit dem Stick mehr, um einen Uppercut anzubringen. Jetzt muss man den stick nur mehr nach links oder nach rechts bewegen. Außerdem gibt es jetzt sechs verschiedene Schläge, zusätzlich zum Jab gibt es jetzt dden Overhand-Schlag und zwischen Haken und Jawbuster gibt es die sogenannten Hookercuts und den Konterhaken. Man kann jetzt alle Schläge im Arsenal viel zuverlässiger anbringen und Full Spectrum Fighting wird einem schnell zur zweiten Natur. Wenn es Probleme gibt, dann mit der Subtilität der Richtungen und der Empfindlichkeit der Sticks. Selbst nachdem ich mich darauf eingestellt hatte, passierte es mir immer wieder, dass ich eine Kombination aus drei Haken anbrachte, wo ich nur einen schlagen wollte.
Intelligenz ist gefragt: Fight Night wurde mit Round 4 zu einer schwierigeren Serie und wurde nun mit Champion noch einmal anspruchsvoller. Hier geht es nicht um Wirtshausschlägereien; alle die Round 3 nachtrauern und sich nur prügeln möchten, sollten bei Schwierigkeitsstufe Amateur bleiben und drauflos schlagen. Ausdauer und Verteidigung bekommen auf den höheren Schwierigkeitsstufen eine Bedeutung, die Gelegenheitsspieler möglicherweise nicht verstehen werden. Wer zu viel schlägt oder auf zu einseitige Offensive setzt, wird sich in Schwierigkeiten bringen. Es ist ein echter – und verdienter –Schlag unter die Gürtellinie für hirnlose Kämpfer in Online-Kämpfen. Im Einzelspieler-Modus entstehen die meisten Probleme dadurch, dass man zu wenig geduldig ist und ohne Plan boxt. Ich gebe zu, dass ich das eine oder andere Mal in Rage geriet. Doch das System ist ausreichend durchschaubar und richtig angewandt. Sobald man seine Fähigkeiten richtig einzuschätzen weiß und seinen Kampfstil entsprechend anpasst, wird einen Fight Night Champion nicht nur lehren, sondern auch inspirieren.
Ein Schlag zwischen die Augen: Ein kurzer Blick zurück auf Round 4, um zu verifizieren, welche Features neu und welche schon bekannt sind, öffnete mir die Augen dafür, wie unheimlich gut Champion animiert wurde und wie gut das Spiel präsentiert wird. Der Vorgänger kommt da nicht einmal annähernd heran. Die Kämpfer von Round 4 wirken im vergleich zu den lebensnahen Boxern von Champion wie Roboter. Man schlägt aus geduckter Haltung nach oben, holt für einen Jab auf der Innenseite nach hinten und oben aus, etc. Es gibt viel mehr feine Bewegungen zwischen den großen Aktionen. Es wird zwar viel Tamtam um das blutige Spektakel gemacht, doch es liefert, kombiniert mit den blauen Augen, Schwellugen und dem durcheinander gebrachten Haar, die eindeutige Bestätigung, dass man den Gegner in die Mangel nimmt. Der einige negative Aspekt ist die Hineinnahme eines Ringrichters, der - in der Champion-Kamerasicht - die unheimliche Fähigkeit hat, einem genau dann in den Weg zu kommen, wenn man eine Kombination anbringen möchte. Man kann ihn in jeder anderen Kamerasicht neutralisieren (ich bevorzuge dynamisch, die Default-Ansicht im Karrieremodus), aber man kann die Kamera auch im Champion-Modus ändern.
Was mir nicht gefiel
Ein Pappkarton-Champion: Die größte Enttäuschung des Spiels ist, dass aus der einzigartigen Sportstory viel zu wenig gemacht wird. Die Handlung von Champion verspricht einen düsteren Blick auf das Boxgeschäft, doch wird nichts von dem geboten, was das Boxen so zwielichtig macht. Der formelhafte Plot ist verzeihlich – alle Box- und Kampffilme sind im Grunde Comeback-Geschichten. Doch Andre Bishop, Ihr Kämpfer, hat kein spürbares Feuer in sich. Er wurde unschuldig eines unbedeutenden Verbrechens angeklagt und er zu einer lächerlich langen Haftstrafe verurteilt, doch er kommt emotional ebenso träge aus dem Gefängnis heraus, wie er hineinging, und bleibt so bis zum Ende. Weder er noch sonst irgendein Charakter – nicht einmal die weißen Rassisten im Gefängnis – lässt irgendeine Beeinträchtigung in seinem Leben erkennen. Von einem großen, lizenzierten Sportspiel, das mutig auf Neues setzt - ein Rating für Erwachsene („M“ – Mature in den USA) und einen Story-Modus -, sollte man mehr Risiko erwarten dürfen als die Verwendung der Wörter „Shit“ und „Fuck“.
Champions-Spiele: Was das Gameplay anbelangt, ist Champion eigentlich ein vier bis maximal fünf Stunden langes Tutorial, das einem die Grundlagen des Boxens näherbringt. In einem Kampf muss man durch K.O. gewinnen. In einem anderen muss man ein Cut beschützen. In einem dritten hat man sich die rechte Hand gebrochen und muss ausschließlich mit der linken über die Runden kommen. Mindestens einer davon wird, selbst auf Schwierigkeitsstufe Pro, so schwer für Sie sein, dass Sie den Controller durch den Raum werfen. Das Ganze wird noch dadurch rätselhafter, dass Sie den Ausdauerbalken Ihres Gegners nicht sehen können, weshalb sich das Gefühl einstellt, dass die Schläge, die Sie austeilen, keine Wirkung zeigen. (Zum Glück ist das im Rest des Einzelspieler-Teils nicht der Fall.) Das Schlimmste war, als ich einen Gegner mit einer Linken K.O. schlug, nur um dann feststellen zu müssen, dass ich ihn laut Drehbuch mit der Rechten hätte niederstrecken müssen. Als Abwechslung in einer längeren Karriere mit konventionelleren Kämpfen wäre so etwas ganz in Ordnung. Doch in dem kurzen Handlungsbogen des Champion-Modus ist jeder einzelne Kampf fast schmerzhaft bis ins kleinste Detail vorgegeben, besonders das Finale.
Ein mageres Erbe: Beim Training wird jetzt eine Kampf-Camp-Option geboten, die es erlaubt, an bestimmten Eigenschaften seines Boxers zu arbeiten. Diese sind unterteilt in Fähigkeiten (die durch Minispiele trainiert werden) und Athletik (Hintergrundkalkulation, wenn man sich entscheidet, diese zu trainieren). Die Trainingsspiele sind unglaublich schwer, was nicht zuletzt daran liegt, dass Ihr Kämpfer zu Beginn seiner Karriere ein ziemlicher Waschlappen ist. Man muss sich mit vielen Entscheidungen abmühen, während man Schläge anbringt, die klingen, als würde jemand gegen die Seite eines Luftballons klopfen. Die Trainings-Minispiele gehören dringend überarbeitet und müssten leichter erreichbare Ziele bieten. Wenn Fight Night will, dass man für seine Stärken arbeiten muss, dann sollte es die Amateurkarriere verlängern, damit man als beeindruckender Profi debütieren und wirklich Schaden anrichten kann.
Fazit
Karriere-Modus-Boxern bietet Fight Night Champion mehr oder weniger dieselbe Erfahrung wie in den vorangegangenen Spielen, aber mit einer besseren Steuerung, die die anfängliche Plackerei erleichtert. Der Champion-Modus ist mehr eine Geschmacksfrage; er hat gute Momente, doch deutet nichts darauf hin, dass daraus ein neuer Sportspiel-Trend werden könnte. Online wird durch die neue Steuerung und die Ausdauer-Erfordernisse dafür gesorgt, dass man sich angewöhnt, die Face Buttons sein zu lassen und ganz auf den analogen Stick zu setzen, und dass die Kämpfe ausgeglichener werden.
Das Spiel mag nicht in allen Belangen punkten, doch Fight Night Champion ist Pfund für Pfund besser als alles, was Sie bisher gespielt haben.
Fight Night Champion wurde von EA Sports entwickelt und am 3. März 2011 für PlayStation 3 und Xbox 360 veröffentlicht. Spielte den Champion-Modus komplett durch und probierte alle Einzelspieler- und Online-Mehrspieler-Modi aus.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen