Ich werde nie verstehen, warum manche Leute das Bedürfnis verspüren, etwas zu reparieren oder zu verändern, das sehr gut funktioniert. Eva dachte, sie könnte das Paradies durch den Genuss einer verbotenen Frucht noch paradiesischer machen, irgendein Guido muss unbedingt einen zusätzlichen Spoiler an seinem Ferrari anbringen und Techland , Entwickler der Call of Juarez-Reihe, entschied sich, die traditionell im Wilden Westen spielende Serie zu „modernisieren“. Es liegt mir fern, die ersten beiden Call of Juarez-Titel mit dem Paradies oder einem Ferrari zu vergleichen, aber sie hatten etwas, das vielen anderen Spielen fehlt: Herz. Das, liebe Freunde, ist das Seltenste in jeder Form von Kunst, weshalb es geradezu tragisch ist, dass genau davon in Call of Juarez: The Cartel, dem dritten Spiel der Serie, überhaupt nichts zu bemerken ist.
Sicher, The Cartel ist nicht der schlechteste Shooter aller Zeiten. Das Spiel ist ganz okay. Es ist sehr durchschnittlich. Verdammt, es ist nicht einmal durchschnittlich, es ist unterdurchschnittlich. Techland hat eine Reihe mit einem wirklich coolen Schauplatz für einen Shooter (dem Alten Westen), mit interessanten Charakteren und ausgefeilten Dialogen in eine Kombination aus einem Vin-Diesel-Film und allen unflätigen Ausdrücken, die einem in den Sinn kommen, verwandelt. The Cartel folgt drei sehr unterschiedlichen Polizisten mit sehr unterschiedlichen Vorgeschichten, die drei sehr unterschiedlichen Rassen angehören und sehr unterschiedliche Ansichten in Bezug auf ihre Arbeit haben. verdammt, sie gehören sogar drei höchst unterschiedlichen Einheiten an, damit man ja nicht auf die Idee kommt, sie seien dieselbe Person oder typische FPS-Charaktere. Was sie natürlich sind.
Was ist nur aus dem bibelfesten, Feuer und Schwefel predigenden Reverend Ray McCall aus dem ersten Call of Juarez geworden? Wo sind nur seine bissigen Einzeiler geblieben? Leider durch Klischees und langweilige Schießereien ersetzt. Statt von einem interessanten Milieu Gebrauch zu machen, lässt The Cartel den Spieler einfach in Los Angeles (und später Mexiko) herumlaufen und –fahren und eine endlose Reihe austauschbarer Feinde niederknallen, weil es irgendwelche Verbrecher zur Strecke zu bringen gilt. Es muss wohl nicht besonders erwähnt werden, dass alle Charaktere „hartgesotten“ sind: es gibt den in die Jahre gekommenen Cowboy (die einzige kleine Verneigung vor dem Alten Westen der ersten beiden Titel der Serie), einen raffinierten mexikanischen Typen, der jede seiner Äußerungen auf sehr künstlich wirkende Weise mit mexikanischen Slangausdrücken verziert, und eine freche, selbstbewusste dunkelhäutige Frau. Die Protagonisten von The Cartel sind, von ihrer sehr oberflächlichen Charakterisierung einmal ganz abgesehen, nicht sonderlich liebenswert, was zum Teil auch daran liegt, dass sie einander ganz offensichtlich nicht leiden können. Mit ständigen internen Machtkämpfen und Querelen macht man sich nun einmal nicht sonderlich beliebt; es ist alles andere als cool und lenkt nur vom Flow und der Action ab, die einen First-Person-Shooter kennzeichnen sollten.
Ich sage „kennzeichnen sollten“, weil das Karten-Design und die Einzelspielerkampagne von The Cartel sind größtenteils lieblos und nach Schema F zusammengeschustert. Es ist nicht so, dass das Spiel schlecht ist oder langweilig oder nicht funktioniert, es ist nur alles so –vorhersehbar. Man spielt eine sinnlose, schwer zu steuernde Fahr-Sequenz, worauf eine Reihe von Korridoren/freie Geländeflächen folgen, in/auf denen man auf Bösewichte schießt, gefolgt von irgendwelchem beliebigem Zeitlupenzeugs (zumeist Aufbrechen von Türen oder Springen durch Fenster), gefolgt von weiteren Schießereien und ab und zu einem Bosskampf. Nicht gerade überwältigend. Man kann das Spiel auch mit einigen Freunden oder Nerds aus Internet-ville durchspielen, aber das Problem dabei ist, dass man nicht nach Lust und Laune in Spiele von Leuten einsteigen kann, die schon weiter gekommen sind als man selbst. Das macht es verdammt schwierig, jemanden zu finden, mit dem man spielen kann, und es ist mühsam und ärgerlich, sich mit seinen Freunden synchronisieren zu müssen.
Es gibt auch einen wettkampfmäßigen Multiplayer, aber der ist so einfallslos wie die Hauptkampagne. Auf Dinge zu schießen, ist recht unterhaltsam, aber wenn wir eines aus Inception gelernt haben, dann ist es der Umstand, dass Tiefgang wichtig ist. Und The Cartel hat keinen. Das Spiel ist seichter als das seichte Ende eines Kinderpools während einer Dürre, was besonders enttäuschend ist, da die Serie zuvor zumindest mit überzeugenden Storys und Schauplätzen aufwartete. Bleibt nur zu hoffen, dass Techland die Serie beim nächsten Mal zu den Wurzeln zurück führt (oder zumindest weg von diesem Flop).
PRO: Co-op während der ganzen Kampagne; die Teile, in denen man schießen kann, sind nicht schlecht.
CONTRA: Schreckliche Schauplätze; peinliche Dialoge; stereotype Charaktere; wirre Story; Einzelspieler-Action wiederholt sich sehr; Co-op-Partien sind schwer zu organisieren; es wird überhaupt nichts Neues oder Originelles geboten.
Abschließende Bewertung
Spiel: 2,5
Spaßfaktor: 3,0
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