Ich habe in den vergangenen zwei, drei Tagen das still und heimlich veröffentlichte dritte Acttion-Psychopathie-Spiel Postal III von Running With Scissors gespielt. Ich wünschte, ich hätte es nicht getan.
Ich habe eine Flasche Whiskey griffbereit auf dem Schreibtisch stehen. Ich habe eine eher pessimistische Einstellung zum Leben, zum Universum und zu allem anderen. Ich misstraue üblichen Anstellungsverhältnissen. Ich habe eine sehr kurze Aufmerksamkeitsspanne. Sieh, da ist eine Krähe auf dem Rasen. Noch eine. Sie sind so schön schwarz und… oh ja. Und ich habe eine Kopie von Postal III auf meinem PC installiert. Ich bin bereit.
Postal III ist… eine so eindeutige Aussage ginge am Punkt vorbei. Postal III ist. Treffender lässt es sich wohl nicht ausdrücken. Lassen Sie uns deshalb lieber über einige Dinge reden, die Postal III bietet. Doch zuerst eine Warnung.
Warnung!
Manche der Dinge, die Sie hier lesen, mögen in der Beschreibung urkomisch und toll klingen, weshalb Sie das Bedürfnis verspüren könnten, eine Kopie des Spiels zu erwerben. Das ist jedoch nicht der Sinn, denn in der Praxis präsentieren sie sich völlig anders, als sie im Konzept klingen. Deshalb sollten Sie diese Beschreibungen und Äußerungen nicht als Empfehlungen sehen – außer sie werden explizit als solche gekennzeichnet.
Ende der Warnung.
Postal III beinhaltet folgende Dinge:
- Das Abfeuern von mit Sperma durchtränkten Tüchern auf Sarah Palin und ihre Armee ultrakonservativer „Soccer Moms“.
- Das Töten von Menschen mit einem an einem Stock befestigten wütenden Dachs.
- Urinieren auf alles und jeden. Außerdem, den Dachs dazu bringen, auf alles und jeden zu urinieren.
- Verfolgungsjagden auf Sedgways.
- Parodien von Figuren des öffentlichen Lebens wie Al Gore, Osama Bin Laden, Ron Jeremy, Uwe Boll und Gary Coleman.
- Witze über die Source Engine, die Physik von GTA, sich verzweigende Handlungsstränge…
- Busen! Kanonen! Flüche! Katzen! Macheten!
- Das eindeutige und verzweifelte Verlangen, kontrovers und somit berüchtigt und erfolgreich zu sein.
Ende der Liste.
Oh, noch eine Sache: ständige Selbstreferenz. Im Prinzip ist Postal III Duke Nukem Forever, wenn Duke Nukem Forever ein Third-Person-Spiel wäre und nicht die Ambition gehabt hätte, ein Hit-Shooter zu sein, den man in Geschäften erwerben kann. Dafür bewundere ich es; es lässt sich nicht davon abhalten, all das zu inkludieren, was es inkludieren will. Das Problem ist nur… Nun ja, so ist Postal III.
Postal III ist wie ein Freund, der einem rät, man solle einmal nach Amsterdam reisen, weil es dort Sex und Drogen und Alkohol und keine Hemmungen gibt und man unvorstellbaren Spaß haben kann.
Also reisen Sie hin. Weil es fantastisch klingt. Dann treffen Sie dort ein, Sie steigen in einem versifften kleinen Hotel ab, Sie gönnen sich einen oder zwei Joints in einem Raum voller schreiender Idioten und dann besuchen Sie den Rotlichtbezirk und müssen feststellen, dass dieser aus einigen wenigen Straßen besteht, in denen zwielichtige alte Männer und schwer angetrunkene Gesellen in winzigen Räumen verschwinden. Es ist nicht unmöglich, seinen Spaß zu haben, sofern man eine entsprechende Geisteshaltung hat und gegen soziales Unbehagen immun ist, aber in der Realität ist all das, was sich theoretisch so gut anhörte, geschmacklos und peinlich und funktioniert nicht so recht.
Also besuchen Sie vielleicht einige der tollen Museen und interessanten Galerien oder ein paar angesagte Bars. Sie können Ihren Freunden nach der Rückkehr keine fantastischen Geschichten erzählen, aber Sie hatten wenigstens eine gute Zeit. Meine wirren Metaphern sollen bedeuten, dass Sie etwas anderes spielen, das nicht so verstörend und gestört ist, aber dafür gut funktioniert und leidlich unterhält.
Ich kann einfach kein Argument gegen das Gefühl finden, dass es sich bei Postal III um ein ganz schlechtes Spiel handelt. Es wimmelt von verrückten Ideen und fröhlicher Soziopathie, wie es sich für ein Postal-Spiel gehört. Es ist gewagt, es ist gelegentlich lustig, es ist grausam, es ist vorsätzlich anstößig, aber es ist ein schlechtes Spiel. Das Schießen ist schlecht. Das Zuschlagen ist schlecht. Das Laufen ist schlecht. Das Gesundheitssystem ist schlecht. Das Zielen funktioniert schlecht. Die Möglichkeit, sich mitten im Spiel zu entscheiden, ob man eher gut oder doch ganz böse sein möchte, bringt nichts und ist schlecht. Die quasi-offenen Levels wirken beengend, sind nicht interaktiv und schlecht. Das Attackieren von Menschen mit einem wütenden Dachs am Stock ist schlecht. Es ist schlecht. Es ist ein schlechtes Spiel, aber eines, das in eine wilde Unbekümmertheit und den Willen, zu jedem, der ihm in den Sinn kommt, grausam zu sein, verpackt ist.
Es wurde ganz offensichtlich mit sehr geringem Budget entwickelt, weshalb ich mich ein wenig schuldig fühle, wenn ich Postal III dafür schelte, das es billig wirkt. Aber das tut es. Das mag zwar nicht die Schuld der Macher sein, aber das Fazit ist und bleibt, dass der Verrücktheit von Postal III kein auch nur ansatzweise entsprechendes Gameplay gegenübersteht. Es werden nur genretypische Interaktionen und Systeme geboten. Ein Gag bleibt einfach nur ein Gag, denn das Spiel ist nicht in der Lage, ihn umzusetzen.
Leider sind die meisten Gags nicht sonderlich gelungen und verfehlen ihr Ziel. Sarah Palin, Al Gore? Sind uns zu diesen Persönlichkeiten die Gags nicht schon vor Jahren ausgegangen? Und selbst wenn dem nicht so wäre, sind Sprüche wie „Sarah Palin doesn’t like porn stars” und „Al Gore might be a bit of an eco-hippy” reichlich zahnlose Satire. Das ist ein großes Problem aller Unterhaltungsprodukte, die Witze zum aktuellen Geschehen machen möchten, aber einen langen Entwicklungsprozess erfordern. South Park, mit dem Postal III mehr als nur ein paar Gemeinsamkeiten hat, kommt damit durch, weil die Folgen heutzutege sehr schnell produziert werden und der niedrige Produktionswert zu einer Kunstform erhoben wurde. Postal III ist hingegen eine schwerfällige Bestie der seichten Satire, die über eine veraltete Version der Source Engine gestülpt wurde, und eine unbeholfene Verschmelzung von mitunter wirklich lustigen Meta-Kommentaren über Videospiele mit Titten-und-Minderheiten-Humor.
Ich möchte jedoch darauf hinweisen, dass ich wesentlich länger spielte, als ich für möglich gehalten hätte, da ich ständig neugierig war, was als nächstes auf mich zukommen würde. Welche lachhafte Situation, welche parodierte Persönlichkeit, welche verrückte Waffe (halluzinogene Katzenminze, ein Laserpointer, der Ihren Hund dazu bringt, Leuten in den Unterleib zu beißen, auf Katzen basierende Landminen – alle sind beim ersten Mal sehr lustig, aber nicht mehr beim zehnten, zwölften oder einhundertsten). Die Unvorhersehbarkeit ist jedoch beeindruckend. Aber ich wünschte mir, ich hätte nicht so lange durchgehalten, denn Postal III mag zwar vom Konzept her einfallsreich sein, doch die Mechanik ist mehr als ermüdend. Fast jedes Szenario beginnt damit, dass der ständig sarkastische Postal Dude einen neuen langweiligen und undankbaren Job annimmt, was in gewalttätige Anarchie ausartet und damit endet, dass er nicht bezahlt wird und einen neuen undankbaren Job annimmt.
Das ist natürlich Teil des Witzes, aber das Problem besteht darin, dass er in jedem Level von Wellen identisch aussehender Feinde attackiert wird und durchhalten muss, bis er eine bestimmte Anzahl von ihnen getötet/neutralisiert hat. Das Bewerfen von Sarah Palin mit Tüchern, die in Sperma getränkt sind, erfordert das Aufheben dieser Wurfgeschosse, das Abfeuern auf Horden von „Soccer Moms“, damit diese eine wenig überzeugende Erbrechensanimation vollführen und dann… Nein, es gibt kein und dann. Es gibt nur das, wiederholt ad nauseam, bis der Level endet. Ich musste lachen, als der Dude „I didn’t know Valve had a shader for that” murmelte, aber die restliche Zeit war ich gelangweilt und verärgert. Mit Sperma befleckte Tücher auf Sarah Palin zu werfen, sollte nicht langweilig sein, oder?
Das ist die traurige Wahrheit: Postal III ist ein sehr langweiliges Spiel. Alle Levels sind genau so: ein mitunter geistreiches Setup, dann Plackerei bis zum Ende. All seine Verrücktheit, all seine Kontroverse, all seine Gags, die einen immer wieder zum Lachen bringen, können nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich um ein langweiliges, sich wiederholendes und unbeholfenes Spiel handelt, dass man, wäre da nicht die sehr gediegene Leistung des Sprechers des Dude, fast für eine Mod halten könnte. Ich würde gerne sehen, was die Macher dieses Spiels mit einem großen Budget und einem großen Team zusammenbringen, aber selbst die besten schlechten Absichten der Welt können diesen Fehlschlag nicht retten.
PRO: Recht gute Gags; nette Waffen; unverschämt.
CONTRA: Alles andere, aber vor allem langweilig, langweilig, LANGWEILIG.
Abschließende Bewertung
Spiel: 3,5
Spaßfaktor: 3,0
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