Ein Kampf ums Überleben - und mitunter auch um den Spaß
Die sehr beliebten SSX-Spiele der letzten Generation zählen auch heute noch zu den besten Titeln des Extremsportgenres. Also warum hat es so lange gedauert, bis uns diese Serie wieder mit einem interessanten Beitrag erfreut?
Als EAs Reboot von SSX erstmals mit dem Titel SSX: Deadly Descents vorgestellt wurde, waren die Reaktionen der Fans nicht gerade wohlwollend. Das war sicher zum Teil auf falsche Wahrnehmung zurückzuführen, aber der Aufschrei der Empörung hat wohl einiges damit zu tun, dass das fertige Spiel mit vielen Aspekten aufwartet, die die beliebten Vorgänger so großartig machten, und diese ausbaut. Jedenfalls konzentrierte EA die Marketingbemühungen auf die bekannteren Teile von SSX. Leider blieben einige der neuen Gameplay-Elemente erhalten, die die größte Schwäche des an sich gelungenen Reboots darstellen.
Nach ungefähr einstündigem Spielen konnte ich es mir nicht verkneifen, den neuen Titel mit SSX Tricky zu vergleichen, das bei mir noch immer im GameCube steckt. Abgesehen von den ganz offensichtlichen grafischen Verbesserungen fiel mir auf, dass damals die Bewegungen des Spielcharakters und die Geschwindigkeit der Tricks eher gemächlich waren. Lustig – so hatte ich es nicht in Erinnerung.
Es ist nicht so, dass die vorangegangenen Spiele schwerfällig waren, sondern SSX ist immer mir halsbrecherischer Geschwindigkeit unterwegs. Das wird mitunter zum Problem, aber das höhere Tempo ist auch für einige wirklich spektakuläre Momente verantwortlich. Es passt auch sehr gut zu den Umgebungen – neun real existierende Gebirgszüge -, die unter zu Hilfenahme von Satellitenaufnahmen der NASA digital rekonstruiert wurden. Hier haben Sie viel Platz, um gewagte Manöver auszuprobieren, wenn Sie auch nicht nach Lust und Laune irgendwo hinunterfahren können, sondern mehr oder weniger einem vorgegebenen Pfad folgen müssen.
Der Grund, warum Sie an so gefährlichen Orten mit dem Snowboard unterwegs sind, ist albern, aber er ist plausibel und schafft es, die existierenden Charaktere der Franchise zusammenzubringen. Im Wesentlichen handelt es sich um einen Wettstreit zwischen Team SSX und einem rivalisierenden Snowboarder namens Griff, bei dem es darum geht, wer die neun tödlichen Abfahrten schneller bewältigen kann. Es winken Ruhm und Reichtum. Neun gegen einen klingt ein wenig unfair, aber Sie werden den Namen Ihres Gegners bald verfluchen.
Dieser Modus, mit dem Sie verpflichtend beginnen, heißt World Tour und bringt den Spielern die Neuerungen von SSX sowie die Charaktere, die man nach und nach freischaltet, näher. Ihre übertriebenen Vorgeschichten werden mit Hilfe animierter Comics erzählt, was mir in Videospielen generell nicht sonderlich gut gefällt, aber hier passt dieses Stilmittel – wie auch der Plot selbst – sehr gut zu dem verrückten Thema.
Die drei Spielmodi warten mit unterschiedlichen Gameplay-Typen auf: Race It, Trick It und Survive It. Die ersten beiden werden langjährigen Fans der Serie bekannt sein. Bei Trick It muss man aberwitzige Tricks vollführen, um Punkte zu sammeln, während man bei Race It Moves vollführt, um den Boost zu steigern. Ehe ich weiter auf das Spiel eingehe, möchte ich darauf hinweisen, dass Run-D.M.C.s „It's Tricky“ hier wieder zu hören ist. Oh, und falls Sie Dubstep hassen, wird Sie die Information freuen, dass Sie eigene Playlists erstellen können.
Survive It ist ein brandneuer Modus, der sich von allem anderen beträchtlich unterscheidet. Jedes der neun Gebirgsmassive wartet mit einem besonderen Gefahrenmoment auf, das Sie besonders beachten müssen, etwa mit Felsen übersäte Hänge oder Sauerstoffmangel oder fast totale Dunkelheit. Auf einer der Abfahrten müssen Sie Schatten und Tunnel meiden, um nicht zu erfrieren, während eine andere an eine Verfolgungsjagd erinnert, bei der Sie Lawinen davonfahren müssen.
Um diese unwirtlichen Verhältnisse überleben zu können, benötigen Sie spezielle Ausrüstung, die Sie neben Boards, Outfits und Mods (einmal zu verwendende Boni) erwerben können. Die Gegenstände verbessern statistische Werte, manche bieten Boni (etwa mehr Boost) – und es gibt wahnsinnig viele davon. Der Wingsuit (Flügelanzug) ist mein persönlicher Favorit, aber bei vielen Levels haben Sie keine freie Auswahl, wenn Sie lebend unten ankommen wollen.
Ich weiß die Abwechslung, die Survive It mit sich bringt, durchaus zu schätzen, aber ich muss auch darauf hinweisen, dass mit diesen Missionen auch gehörig Frustration verbunden ist. Das Tempo in SSX ist so rasant, dass Sie, wenn Sie Ihren Spielcharakter nicht sehr gut im Griff und noch dazu ein wenig aufgelevelt haben, etliche ärgerliche Momente erleben werden. Es ist fast so, als würde das Spiel sich selbst spielen, aber nicht wirklich gut.
Interessant ist auch, dass nicht die Tricks das eigentlich Schwierige sind. Nein, die Herausforderung besteht darin, genügend Punkte zu erreichen, schnell genug zu sein oder auch nur zu überleben. In SSX sind Tricks sehr leicht auszuführen: Sie müssen sich nur beherrschen können und die Buttons im letztmöglichen Moment loslassen; die Chancen, dass Sie dann unversehrt landen, stehen gut. Da ihr Spielcharakter an Schienen und Geländern klebenbleibt, ist selbst das Grinding kinderleicht.
Grabs werden entweder mit dem rechten Stick (erinnert ein wenig an Skate) oder den Face Buttons bewerkstelligt. Das geht bald intuitiv von der Hand. Besonders gut gefällt mir, dass man jederzeit zwischen den beiden Optionen wechseln kann. EA bietet auch ein klassisches SSX-Kontrollschema, aber ich kam mit der neuen Methode viel besser zurande.
Seltsamerweise sorgt das Leveldesign für die größten Schwierigkeiten, was wirklich komisch ist, denn der Rest des Spiels tut alles, damit der Spieler ohne große Anstrengungen gut aussieht. Obwohl Sie gegen den Verlust von Punkten die Zeit zurückspulen können, ist es vor allem in Race It oft notwendig, den Lauf von vorne zu beginnen, wenn man in ein bodenloses Loch stürzt (von denen es in manchen Levels entschieden zu viele gibt) – vor allem wenn man den ersten Platz erreichen möchte. Unglaublich gut unterwegs zu sein, nur um dann von einer Rampe im falschen Winkel abzuspringen und in einem Abgrund des Todes zu stürzen, den man nicht sehen konnte, ist kein angenehmes Gefühl.
Das Layout von Strecken auswendig zu lernen, reicht nicht immer aus – da kommt wieder das rasante Tempo ins Spiel. Und in Survive It kann es schon sehr herausfordernd sein, überhaupt festzustellen, wohin man sich gerade bewegt. Verschärft wird das Ganze noch durch das HUD, in dem mitunter Warnungen aufscheinen, die verdecken, was direkt vor einem liegt. Ein über Ihnen fliegender Hubschrauberpilot gibt Ihnen immer wieder strategische Ratsschläge, aber für mich kamen diese Tipps oft zu spät, um nützlich zu sein.
Neben der World Tour gibt es Explore (Erforschen). Dieser Modus wartet mit 150 „Drops“ auf (Sie springen dabei immer aus einem Hubschrauber, um einen Lauf zu beginnen), die sich auf die neun Regionen von SSX aufteilen. Manche dieser Drops überlappen, so dass Sie ganze Sektionen eines Berges mehrmals befahren. Das mag nicht sonderlich originell sein, aber zusammen mit den drei Gameplay-Typen (Race It, Trick It, Survive It) ergibt das ganz schön viel Inhalt – vor allem für ehrgeizige Spieler, die Goldmedaillen erringen oder sich mit Freunden online messen möchten.
Der interessanteste Aspekt von SSX ist der dritte Modus. Er heißt Global Events und ist der Multiplayer des Spiels. Hier kann RiderNet – eine Sammlung von sozialen und Community-Features im Stile von Need for Speed: Hot Pursuits Autolog – wirklich glänzen.
Wie ich schon erwähnte, kann man sehr viele Ausrüstungsgegenstände erwerben – und die sind nicht billig. Den Großteil Ihrer Credits werden Sie vermutlich in Global Events verdienen. Hier messen Sie sich mit der gesamten SSX-Spielergemeinde in Events mit begrenzter Spielzeit. Wenn die Spielzeit abgelaufen ist, werden riesige Mengen an Credits unter den Teilnehmern aufgeteilt, wobei man umso mehr erhält, je besser man abgeschnitten hat. Sie können sich das Ganze fast wie ein sich ständig veränderndes Leaderboard vorstellen.
Falls Sie nur mit Ihren Freunden spielen möchten, können Sie an jedem beliebigen Drop Punkt einen eigenen Global Event initiieren und Ihre Freunde dazu einladen. Durch die Feeds und Empfehlungen von RiderNet sollte dies zu lange andauernden Rivalitäten führen, auch wenn es sich bei diesem asynchronen Multiplayer nicht um einen Multiplayer im herkömmlichen Sinn handelt.
Geotags sind ein weiteres interessantes Element. Dabei handelt es sich um einsammelbare Gegenstände, die Sie im Spiel unterbringen können, damit sie dann von anderen Spielern gefunden werden. Sie erhalten Credits für das Platzieren. Wenn niemand Ihre Geotags einsammelt, erhalten Sie eine große Belohnung. Da der Community-Aspekt von SSX so stark im Zentrum steht, wird denen, die keinen Internetanschluss haben, einiges entgehen.
Es sollte auch nicht unerwähnt bleiben, dass sich in jeder neuen Kopie des Spiels ein Online Pass befindet. Credits, die Sie in Global Events erwerben, werden gespeichert, können aber nur ausgegeben werden, wenn Sie Ihren Pass registrieren. Wenn Sie eine gebrauchte Kopie kaufen wollen, sollten Sie wissen, dass Sie auch in den beiden anderen Modi viele Credits erwerben können.
Ich habe das Gefühl, dass es schon eine Ewigkeit her ist, seit wir ein wirklich tolles SSX spielen konnten. Das neue Spiel ist mit Sicherheit einer der besten Titel der Serie. Fast alles, was die Serie so unterhaltsam machte, findet sich auch hier, mitunter sogar in leicht verbesserter Form, weshalb die Fans auf ihre Kosten kommen sollten. Die Online-Funktionalität ist eine willkommene Erweiterung.
Ich hatte mit einigen Problemen zu kämpfen – vor allem mit dem mitunter frustrierenden Leveldesign, das bestenfalls uneinheitlich ist -, aber es gibt so viele Dinge, die wirklich gefallen, weshalb die problematischen Aspekte einem ansonsten fantastischen Spiel nicht nachhaltig schaden. SSX wird mit seinem Charakterleveling, den vielen Ausrüstungsgegenständen, hunderten von Drops und Rivalitäten mit Freunden allen Fans von Extremsportspielen monatelange Vergnügen bereiten. Wir mussten lange warten, aber es hat sich gelohnt.
PRO: In den besten Momenten ist es beglückend wie kaum ein anderes Spiel; sehr großer Umfang; das spiel zu 100% zu absolvieren, ist eine große Herausforderung; Schauplätze sehen toll aus, wenn sie nicht gerade in Finsternis getaucht sind; das neue Kontrollschema funktioniert gut, daneben ist auch das klassische verfügbar; hoher Wiederspielwert.
CONTRA: Man kann die Berge nicht nach Herzenslust erkunden; die erste Stunde ist wirklich brutal schwer; langweiliger Soundtrack; hinterhältige Todesfallen auf vielen Kursen; mitunter nervende Ausrüstungsvoraussetzungen; manchmal mehr Präzision erforderlich, als mit der Steuerung möglich ist.
Abschließende Bewertung
Spiel: 8,25
Spaßfaktor: 8,0
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