Verändern Sie Ihre Perspektive.
Nehmen Sie zwei kleine Objekte und halten Sie diese in den ausgestreckten Händen vor das linke und das rechte Auge. Bewegen Sie diese dann genau in den Mittelpunkt zwischen Ihren beiden Augen, wodurch der Eindruck entsteht, die Objekte würden eine Vierteldrehung um ihre Achse vollziehen. In Ihrer Wahrnehmung erscheinen die beiden Objekte nun als eines; sie sind in horizontaler Ebene vor Ihren Augen verschmolzen. Diese simple optische Illusion ist die Grundlage von Fez, dem brillanten neuen Puzzler/Platformer von Polytron. Andere haben schon mit dem Potenzial dieser Idee geliebäugelt – allen voran Echochrome und Paper Mario -, aber bisher hat noch kein Spiel die Magie dieses Konzepts so vollständig erkannt und umgesetzt wie Fez. Das Resultat ist eine der zugänglichsten, cleversten und bewusstseinsveränderndsten Erfahrungen auf dem Videospielmarkt.
Sie sind Gomez und ihre 2D-Welt wurde soeben durch das Auftauchen eines magischen Fez auf den Kopf gestellt. Ihre neue Kopfbedeckung ermöglicht Ihnen, die Perspektive zu verschieben und so die 3D-Welt wahrzunehmen, die es immer schon da war, aber von ihnen so nicht gesehen werden konnte. Sie machen sich auf den Weg und entdecken, dass die Welt viel größer und komplexer ist, als Sie bisher angenommen haben.
Fez ist vor allem deshalb so vergnüglich, weil man ständig das Gefühl hat, etwas Neues zu entdecken. In jedem Level geht es darum, den Vorhang ein wenig weiter zu lüften. Immer und überall stoßen Sie auf Geheimnisse: Verborgene Warp-Tore schicken sie quer über die Karte an verschiedene Orte, knallrote Schatztruhen beinhalten Schlüssel und Artefakte und sich spiegelnde Obelisken deuten Konzepte an, die Sie erst Stunden später verstehen werden. Der Hasenbau ist unglaublich tief: einige der Puzzles sind so kompliziert, dass Sie daran vorbeilaufen können, ohne überhaupt zu bemerken, dass es sich um eines handelt.
Während Sie diese Mysterien aufdecken, sammeln Sie leuchtende Würfel – natürlich die Schlüssel zur Rettung des Universums. Alles dreht sich darum, diese verlockenden Würfel zu erreichen. Dafür ist es nötig, immer wieder die ganze Welt zu verdrehen, um eine neue Sicht auf die Dinge zu erlangen. Durch die Veränderung der Perspektive sind scheinbar unendlich weit entfernte Plattformen nur mehr wenige Zentimeter voneinander entfernt oder es taucht auf der anderen Seite der Wand, die Sie bisher nicht sehen konnten, eine Leiter auf. Während Sie bei vielen spielen minutenlang auf den Bildschirm starren, um herauszubekommen, wie Ihr nächster Schritt aussehen soll, lassen sich viele der Puzzles in Fez nur durch Drehbewegungen und dynamische Interaktion lösen. Mir gefällt, was diese Mechanik für das Design der Puzzles bewirkt. Die Lösung liegt zumeist direkt vor Ihnen, wenn Sie den Blick auf die Situation verändern. Die Rätsel sind herausfordernd, aber sie lassen sich in einem gleichmäßigen und befriedigenden Tempo lösen.
In späteren Abschnitten des Spiels warten einige harte Nüsse, die sehr originell und wirklich großartig sind, aber leider nimmt dann auch das Tempo des Fortschritts dramatisch ab. Eine verwirrende Navigation und die Wahrscheinlichkeit regelmäßigen Zurückgehens sind die einzigen wirklichen Schwächen des Spiels: weit auseinanderliegende Hinweise und die Unmöglichkeit, sich rasch von einem ungelösten Level zum nächsten zu bewegen, fordern hier ihren Tribut, weshalb der Abschluss einige Stunden lang außer Reichweite ist, was durchaus frustrieren kann. Fez erleichtert diese Verlangsamung ein wenig, indem zwei verschiedene Arten von Würfeln angeboten werden, mit deren Hilfe man das Ende erreichen kann. Eine dieser Arten ist generell leichter erreichbar, aber Sie können beide kombinieren, um die erforderliche Gesamtzahl zusammenzubekommen, die erforderlich ist, um das Ende zu erleben. Perfektionisten können danach zurückkehren, um die restlichen Puzzles zu lösen und das Bild zu vervollständigen. Diese besonders engagierten Spieler können sich auf eine Überraschung gefasst machen, denn Fez wartet mit einem New Game+ Feature auf, das eine faszinierende Wendung bringt, die dafür sorgt, dass Sie Gomez’ Welt mit anderen Augen sehen.
Die 8-Bit-Grafik von Fez ist simpel, aber charmant und passt sehr gut zu der Fiktion dieses seltsamen Universums flacher Formen und scharfer Kanten. Gelegentliches Abfallen der Framerate während der Autosaves und des Ladens neuer Umgebungen beeinträchtigen die ansonst flüssige visuelle Präsentation nicht nachhaltig. Der spärliche musikalische Soundtrack verstärkt die Atmosphäre in den wichtigsten Momenten und lässt 80-er-Jahre-Nostalgie aufkommen.
Von den erstaunlichsten Momenten und Puzzles von Fez möchte ich hier nicht allzu viel verraten. Die ursprüngliche Mechanik des Veränderns der Perspektive während des Levels ist nur ein Vorgeschmack auf weitere Ebenen des Gameplay. Kleine Veränderungen in der Beleuchtung während des Tag-und-Nacht-Zyklus eines Levels lassen aus scheinbar bedeutungslosen Symbolen bedeutungsvolle Hinweise werden und die Spieler sollten auch auf spezifische Vibrationen ihres Controllers achten. Fez fordert die Spieler auf, auf andere Weise zu sehen und zu denken. Es ist ein Puzzlespiel mit Momenten echter Erleuchtung und verdient alles Lob, das es sicher noch einheimsen wird.
PRO: Charmante 8-Bit-Ästhetik; Chiptune-Musik wird sehr effektiv eingesetzt; herausfordernde Puzzles; wunderbarer Protagonist.
CONTRA: Die Navigation ist nicht immer ganz einfach, da Anleitungen und Hinweise im Spiel fehlen; die Karten können verwirrend sein; in späteren Levels muss man immer wieder zurückgehen.
Abschließende Bewertung
Spiel: 9,5
Spaßfaktor: 9,0
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