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Lady Gaga: Artpop (Albumkritik)

 

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Lady Gaga: Artpop (Interscope)

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Mit Artpop findet sich Lady Gaga in einer ihr bisher nicht vertrauten Lage wieder – in der Defensive und hektisch bemüht, ihre Herrschaft über die Popmusik des 21. Jahrhunderts aufechtzuerhalten. Auf ihrem vierten Album wirft sie sehr, sehr viele Elemente an die Wand – ein Spritzeffekt aus Ideen, Acryldigital und einigen Rappern - und hofft, dass einige kleben bleiben; sie bemüht sich redlich, die Marke Gaga einmal mehr als grelle und notwendige kulturelle Macht zu etablieren. Artpop, dem die üblichen Leaks und großspurigen Ankündigungen vorangingen, wird von einer Welle nicht geplanten (?) Dramas begleitet. Gaga bot den neuen Track „Dope“ live bei den YouTube Music Awards dar, wobei sie allem Anschein nach echte Tränen vergoss. Sowohl live als auch auf Platte ist „Dope“ einer der traditionelleren und lohnenderen Momente auf Artpop, denn dabei sitzt die einstige Stefani Germanotta am Klavier und schmettert ein Liebeslied an ihre Fans. „I need you more than dope,“, singt sie undeutlich, denn sie hat viel Speichel um Mund.

Was dem Text an Poesie fehlt, macht er mit Glaubwürdigkeit wett, was zum Teil daran liegt, dass „Mary Jane Holland“, der Song,d er sich auf Artpop direkt davor findet, davon handelt, wie sehr Gaga ihr Marihuana schätzt, und zum Teil auch daran, dass Gaga als Star vor allem auch die enge Beziehung zu ihren Fans – Little Monsters – auszeichnet. Noch faszinierender als die Tränen ist die Nachricht, dass sich Gaga von ihrem Manager Troy Carter getrennt hat, der mit erfahrener Hand die geschäftlichen und technischen Aspekte von Gagas Karriere lenkte und nicht zuletzt die „Little Monster“ Power in „Likes“ Retweets und Aufrufe der Videos ummünzte. Wurde er gefeuert? Verließ er ein sinkendes Schiff? Das wissen wir nicht, aber eines ist sicher:t „Applause, die erste Single, schaffte nur eine sehr durchschnittlichen Platz #4 in den US-Charts und wurde von Katy Perrys „Roar“ geradezu vernichtet, weshalb Artpop, das nach den gemischten Reaktionen auf das rockigere Born This Way (2011) mit voller Wucht zur Clubmusik zurückkehrt, von einer Hektik begleitet wird, wie man sie von den vorangegangenen Veröffentlichungen nicht kannte.

Die traurige Nachricht ist, dass sich auf Artpop kein Monsterhit findet – also im Grunde kein „Bad Romance“ – , der Gaga automatisch auf ihrem Podest festklebt. Das Album ist kein sofortiger Klassiker, aber es ist auch nicht die Katastrophe, die manche vorhersagten oder sich vielleicht sogar wünschten; wir haben es also mit einer typischen durchwachsenen Gaga Veröffentlichung zu tun, die einige skurrile Höhepunkte, fragwürdige Abweichungen („Jewels 'N' Drugs“, auf dem drei Rapper nichts Interessantes beitragen, oder „ Donatella“, eine wenig charmante Ode an die gleichfalls wenig charmante Chefin des Modehauses Versace) und viel nicht unangenehmes Füllmaterial.

Das ganze Gerede von La Gaga, sie würde auf dem Album Kunst und Pop auf noch nie dagewesene radikale Weise kombinieren, reduziert sich letztlich darauf, dass das Cover von Jeff Koons gestaltet wurde, und auf einen Track mit dem Titel „Venus“, auf dem es ihr gelingt, Anspielungen auf das berühmte Gemälde von Botticelli, den Weltraum und den kosmischen Jazzer Sun Ra (dessen Song „Rocket Number Nine“ als Ausgangsmaterial dient, und zwar via Zombie Zombie) unterzubringen. Der Titelsong wartet mit der großartigen Enthüllung auf, dass „my Artpop could mean anything", und der Eindruck, dass ein Popstar nachträglich versucht, so etwas wie Kohärenz herzustellen, lässt sich nicht abschütteln. Illusion, Masken, Nacktheit, Posieren: dies alles wird als Idee praktiziert, ohne dass Gaga je eine Vorliebe erahnen lässt.

Perverserweise machen einige der unzusammenhängendsten Tracks den meisten Sinn. „Swine“, der Song, der auf dem iTunes Festival im September vorgestellt wurde, bleibt eine bahnbrechende Collage von einem Song. Da ist der ursprüngliche Abscheu der sich gegen einen Missbrauchstäter richtet und in Form von zig Vor-Refrains präsentiert wird, und dann ist da das frenetische und langatmige digitale Workout, dessen Beziehung zu dem ersten Teil bestenfalls rein zufällig ist, dessen Tempo aber etwas Verlockendes an sich hat. „Swine“ ist Artpops Wow-Faktor-Herzstück, wenn nicht sein größter Hit.

Das ist wohl das wirklich funkige „Fashion!“, einer der seltenen Momente, da man Gagas Vorliebe für David Bowie in ihrem gewaltigen Gesang hören kann. „I own the world! We own the world!" verkündet sie leichthin auf Artpops einzigem Moment echter künstlerischer Unbekümmertheit.

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