Evolve kann auf manche Weise einfach zusammengefasst werden. Es ist ein First-Person-Shooter. Es ist wie Left 4 Dead, vier Spieler tun sich zusammen, nur dass sie in jeder Runde gegen einen Tank/ein Monster – gespielt von einem fünften Spieler – kämpfen. Es ist ein großer Bosskampf, immer und immer wieder. Aber all die Details, die in dieses Spiel einfließen, das seit gestern, also ein Jahr, nachdem wir es erstmals zu sehen bekamen, erhältlich ist, machen es viel komplexer, als es zunächst erscheinen mag.
Ich habe in jüngster Zeit viel über Beziehungen nachgedacht. Ich habe darüber nachgedacht, wie wichtig Teamwork ist, um Beziehungen aufrechtzuerhalten, und das diesee Verbindung in einem einzigen Moment zerreißen kann. Wen man nicht aufpasst, bricht rasch das totale Chaos aus.
Evolve wirkt ganz ähnlich und man muss ähnliche Regeln befolgen, möchte man überleben.
Wenn das Leben ein Pfad mit bestimmten Zielen und verschiedenen Hindernissen ist, verfolgt man zwangsläufig diese Ziele und überwindet diese Hindernisse mit Hilfe einer Gruppe von Kameraden, denen man vertraut. In Evolve besteht Ihr Ziel, sofern Sie nicht als Boss spielen, darin, das Monster zu töten, ehe es zu viele Wildtiere fressen und sich in ein Untier verwandeln kann, dass Sie nicht mehr aufhalten können. Ein Team, das aus vier Jägern (hunters) mit einander ergänzenden Fähigkeiten besteht, nimmt es mit dem Monster auf, wobei die vier effektiv zusammenarbeiten müssen, um es zur Strecke zu bringen. Der Moment, in dem der Soldat die Rolle des Sanitäters (medic) nicht respektiert oder umgekehrt, ist der Moment, in dem das Monster die Oberhand gewinnen kann. Beziehungen, und Teams in Evolve, sind zarte Pflänzchen. Es bedarf nur einiger kleiner Fehler, damit sie eingehen.
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Ich spielte am vergangenen Wochenende mehrere Stunden lang Evolve, zumeist auf der menschlichen Seite und gegen andere, die das Spiel vorzeitig erhielten und in die Rolle von einem von drei Monstern schlüpften: Wraith, Goliath oder Kraken. Ich habe noch nicht genug gespielt, um mir ein endgültiges Urteil bilden zu können, aber ich habe bereits genug gespielt, um zu wissen, dass hier etwas Gutes geboten wird, etwas, das ganz danach aussieht, als könnte es eines meiner Lieblingsspiele des Jahres werden.
Ich habe Multiplayer-Shooter schon immer geliebt. Es hat etwas Therapeutisches, etwas Befreiendes an sich, ein in sich geschlossenes, gut strukturiertes, wettkampfmäßiges Spiel so lange zu spielen, bis man es perfekt beherrscht. Mitunter ziehe ich das dem Erkunden der fast unendlichen Möglichkeiten eines Open-World-Abenteuers vor. Ich möchte nicht immer mit NPCs sprechen und neue Levels erforschen. Manchmal möchte ich einfach nur eine weitere Runde spielen. Ich möchte mich im Perfektionieren von Strategie und Ausführung verlieren. Mitunter gelingt es mir, mich selbst zu überzeugen, dass ich, mit dem richtigen Team an meiner Seite, bei nächsten Mal mehr Erfolg haben werde. Wir, meine Teamkameraden und ich, können aus unseren Fehlern lernen, und so mit der Zeit zu besseren Jägern werden.
Left 4 Dead — das von Turtle Rock gemacht wurde demselben Studio, dem wir nun Evolve verdanken – zählt zu jenen Spielerfahrungen, die mich als Gamer am nachhaltigsten prägten. Ich blieb viel zu lange auf, um immer "nur noch eine weitere Runde" des ersten Spiels und seiner Fortsetzung zu spielen. Irgendwann wusste ich im Schlaf, wie ich mit dem Smoker, dem Spitter und dem Tank umgehen musste. Die ersten paar Stunden in einem Spiel wie diesem sind immer ein Herantasten an die Grenzen und ein Erkunden der Regeln, wobei die vielen Runden, die man fast unbemerkt spielt, einen lehren, mehr zu tun und immer besser zu spielen. Und dann kommt man irgendwann an den Punkt, an dem sich ein auf Charakteren und den eigenen Fähigkeiten, diese einzusetzen, basierendes Spiel dem Spieler voll und ganz erschließt. Evolve ist genau so.
Ich gehe davon aus, dass es eine Weile dauern wird, bis wir die ersten Spieler zu sehen bekommen, die Evolve auf wirklich hohem Niveau spielen. Wir werden wagemutige Taktiken und einen meisterlichen Einsatz von Fähigkeiten erleben, die uns in Staunen versetzen und beweisen werden, dass es immer jemanden gibt, der mit denselben Werkzeugen mehr erreichen kann.
Und Evolve lässt bereits jetzt erkennen, dass es um einiges komplexer ist und genauerer Planung bedarf als Left 4 Dead mit seinen simpler gestrickten Teams, Es ist nicht damit getan, eines der Monster des Spiels so lange it Blei vollzupumpen, bis es stirbt; die Teams müssen das Monster ausfindig machen, es fangen/einkreisen und am Leben blieben, während das Monster selbst vielleicht schon auf dem Weg zu noch größerer Stärke und noch besseren Fähigkeiten ist. Die Jäger müssen ziemlich nahe beisammen bleiben, um ihre jeweiligen Rollen optimal spielen zu können, und zugleich kompliziertere Teamstrategien ausführen, ohne dass Ego oder Hast oder Ungeduld oder Frustration ihre Formation über den Haufen wirft.
Sie können sich natürlich auch dazu entschließen, als Monster zu spielen. Sie können die Schwächen einer Person zu Ihrem Vorteil nützen. Sie können auf den Heiler losgehen, der, wenn er von den anderen Jägern nicht entsprechend geschützt wird, fast sicher sofort sterben wird. Ein Sanitäter/Heiler (medic) weiß, dass er auf Distanz bleiben muss, aber er benötigt den Schutz und die Unterstützung seiner Teamkameraden, um das Monster daran zu hindern, auf ihn loszugehen und ihn auszuschalten. Das Monster kann aber die Jäger auch zu einem im Sumpf hausenden, wie ein Alligator aussehenden Raubtier locken und dann freudig beobachten, wie ihr eigener Eifer sie ins Verderben stürzt. Was wie ein kleiner Moment der Unachtsamkeit wirken mag und die Effektivität des Teams nur kurz einschränkt, kann dem Monster genügend Raum lassen, um zu entkommen, sich zu sammeln und physisch so stark und taktisch so kühn zu werden, dass das angeschlagene Team mit ihm nicht mehr fertig wird.
Es reicht nicht aus, ein paar Shooter gespielt zu haben, um in Evolve von Anfang an gute Figur zu machen. Sicher, die Assault (Sturmangriff/Soldat) Klasse mag ziemlich unkompliziert wirken: Sie verfügen über Buffs (Verbesserungen) und Schusswaffen, die vor allem darauf ausgelegt sind, möglichst großen Schaden zu verursachen.Von den drei Assault Charakteren, die zur Auswahl stehen, sind einige bessere Nahkämpfer, während andere geschickter darin sind, Fallen mit Minen zu stellen. Die Medic (Sanitäter/Heiler) Klasse scheint die vielfältigste zu sein: Sie können das Team mit verschiedenen Fähigkeiten, nicht nur durch Heilen, unterstützen und zum Beispiel die Bewegungen des Monsters verfolgen, die Laufgeschwindigkeit Ihres Teams erhöhen oder gerade verstorbene Kameraden wiederbeleben. Und der Trapper ist ein ganz neues Charakterklassen-Konzept: er konzentriert sich darauf, die Spuren des Monsters zu verfolgen und Fallen zu stellen.
Tracking (Spurensuche), Buffing (Verstärken von Fähigkeiten) und das Zufügen von Schaden sind die Grundlagen von Evolve. Jede Klasse verfügt über Fähigkeiten, die dies erleichtern. Ihr Spielerlebnis und Ihr Erfolg hängen also maßgeblich davon ab, wie gut Sie und Ihre Teamkameraden die jeweiligen Pflichten verstehen und umsetzen. Sie werden fürchterliche Runden erleben – Runden, in denen Trapper Maggie darauf vergisst, Daisy, ihrem tierischen Gefährten, der den Aufenthaltsort des Monsters erschnüffelt, zu folgen – und dann werden Sie auf ein Team stoßen, dass klug und geschickt und als Einheit vorgeht. Sie werden das Team finden, das wie ein Team agieren möchte.
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Es ist schwer abzuschätzen, wie lange sich Spiele halten werden, die fast ausschließlich aus Multiplayer-Inhalten bestehen. Es wird immer die Call of Duty Veröffentlichungen geben, in die Teenager Tag und Nacht investieren, um ihr Spiel zu perfektionieren und all jene zu vernichten, die Jobs und nicht so viel Zeit und Geduld haben. Aber daneben gibt es auch die Titanfalls; die Spiele, die anfangs so vielversprechend aussehen und sehr unterhaltsam zu spielen sind, aber rasch uninteressant werden. In Evolve gibt es vieles, was man erst herausfinden muss – und das könnte möglicherweise genug sein, um viele Spieler länger als ein oder zwei Monate bei der Stange zu halten.
Ihre ersten paar Runden werden vermutlich überraschend schwierig sein. Ihr Team wird womöglich von einem erfahrenen Monster ausgelöscht. Oder Sie werden als Monster erkennen, dass Sie sich in einer höchst unsicheren Lage befinden, obwohl Sie scheinbar so stark sind. Und dann ist da noch der Evacuation Modus, der wie ein Ersatz für eine Multiplayer-Kampagne wirkt. Sie spielen fünf Runden gegen das Monster, wobei in jeder Runde der Ausgang der vorherigen mitberücksichtigt wird. Wenn also das Monster in der ersten Runde das Kraftwerk zerstört, müssen sich die Jäger in der zweiten Runde vor giftigen Gasen in Acht nehmen.
Es wird hier genug geboten, an das man sich vertiefen kann, und es gibt genügend Herausforderungen, die man erst meistern kann, wenn man einiges gelernt hat, so dass ich vermute, dass ich Evolve ähnlich spielen werde wie seinerzeit die Left 4 Dead Spiele: regelmäßig und bis 4 Uhr früh, ohne Reue. So erlernte ich sämtliche Besonderheiten von L4D, darunter jeden Glitch und jede unvermeidliche Problemlösung, die von der Spielergemeinde entdeckt und mit der Allgemeinheit geteilt wurden. Die Entdeckungen in Evolve werden wahrscheinlich nicht immer mit den Absichten des Gameplay übereinstimmen – Monsterjäger sollten sich vermutlich die Zeit nicht mit Seilspringen vertreiben -, doch ihr Potenzial und das Potenzial der Spieler wecken meine Neugier.
In Evolve dreht sich alles um Evolution/Entwicklung. Das Monster frisst, um zu überleben und stärker zu werden. Jeder Spieler spielt für sich genug, um all seine Charaktere aufzuleveln und neue Perks, die sie nach jeder Runde zuweisen können, und neue Charaktere samt ihren Features freizuschalten. Aber was mich an Evolve am meisten interessiert ist die Entwicklung des Teams selbst, die Art und Weise, wie Spieler ihre Rollen spielen und lernen, als Team zusammenzuarbeiten. Denn sobald Sie Ihre Ziele aus den Augen verlieren und einen Teamkollegen im Stich lassen, verlieren Sie die Kontrolle über das Geschehen und damit den Kampf. Und das ist das Ende der Beziehung.
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