Die Hölle, das sind die anderen.
Oberflächlich betrachtet, scheint sich Michigan nur wenig von der Masse von Survival-Horror-Spielen zu unterscheiden, die die PlayStation 2 heimsuchten. Ein mysteriöses Virus verwandelt alle in Monster und Sie müssen kämpfen, um am Leben zu bleiben. Doch dies ist ein Spiel von Grasshopper Manufacture, einem Studio, das dafür bekannt ist, alles ein bisschen anders zu machen.
Und das fängt schon beim Titel an. Michigan spielt nicht in Michigan; die gesamte Action ist in Chicago angesiedelt. Der Titel ist vom Lake Michigan abgeleitet, in den ein Flugzeug abstürzte, was allem Anschein nach den Ausbruch der Seuche verursachte. Das Spiel wurde auch nie in Michigan, Chicago oder irgendeinem anderen Ort in den USA verkauft. Es wurde 2004 in Japan und im folgenden Jahr in kleiner Stückzahl auch in Europa veröffentlicht.
An Michigan ist auch ungewöhnlich, wie es sich spielt. Sie sind ein Kameramann einer TV-Nachrichtensendung und nehmen Reporter auf der Straße auf, die versuchen, die Situation zu dokumentieren. Es gibt keine direkten Interaktionen, sondern Sie richten Ihre Kamera auf Dinge und „taggen“ diese, indem Sie den X Button drücken. Das lässt die Reporter wissen, dass sie etwas tun müssen. Wenn Sie zum Beispiel einen Türknauf taggen, wird der Reporter diese Tür öffnen. Wenn Sie ein Monster taggen, wird der Reporter es (normalerweise) erschießen. Gelegentlich können Sie eine „Stoß“-Aktion ausführen (mit L2), aber diese dient fast ausschließlich dazu, irgendetwas zu öffnen.
Sie erhalten außerdem Punkte für Kameraaktivität. Diese Punkte sind in drei Kategorien unterteilt: suspense, immoral and erotic (Spannung, unmoralisch, erotisch). Ein Beispiel für Suspense wäre das Finden einer Leiche. Eine unmoralische Aktivität wäre zum Beispiel das Filmen des Todes eines Reporters. Wenn Sie auf versteckte pornographische Objekte (Filme, Magazine) stoßen, werden Sie erotische Punkte (zusammen mit dem Stöhnen einer Frau) erhalten.
Die Spieltiefe ist nicht nur Resultat dieses Punktesystems, sondern auch Ihres Nachrichtenteams selbst, denn wenn Sie einen Reporter sterben lassen, muss ein neuer seinen Platz einnehmen. Die Reporter sehen allesamt unterschiedlich aus, haben verschiedene Namen und Persönlichkeiten. Deshalb können Sie, und zwar abhängig davon, wer lebt und wer stirbt (und wann jemand stirbt), unterschiedliche Ereignisse erleben, neue Gebiete erkunden und bei mehrmaligem Durchspielen verschiedenste Dialoge hören. Der für den guten Ton zuständige Brisco kann während des Spiels nicht sterben, da er vor allem für die komische Auflockerung zuständig ist. Wenn Sie sich jedoch die Mühe machen und aufpassen, was er sagt, können Sie von ihm gelegentlich hilfreiche Ratschläge erhalten.
Ich weiß, dass das, was ich bisher schrieb, überwiegend positiv klingt, doch Michigan ist nicht frei von Problemen. Zunächst einmal sind die Dialoge fast schon lächerlich schlecht und ziehen sich oft zu lange hin. Ich mag geschmacklose Konversationen in Spielen und Filmen, aber sie sind definitiv nicht jedermanns Sache. Ironischerweise wird trotz all der Dialoge kaum Handlung oder Story enthüllt; auch bleiben viele der offensichtlichen Fragen unbeantwortet. Die Grafik ist in Ordnung, aber Silent Hill 2 Qualität dürfen Sie sich nicht erwarten. Die Rätsel sind auch nicht gerade brillant, denn es geht zumeist nur darum einen Schlüssel zu finden. Besonders schlimm ist, dass man die Kämpfe nicht selbst austragen kann, was ich bereits erwähnte: Dem Reporter zu sagen, dass er ein Monster erschießen soll, ist nicht sonderlich unterhaltsam.
Doch falls Sie Survival Horror alter Schule mögen und sich nach etwas Verrücktem sehnen, das irgendwie anders ist, könnte Michigan genau Ihr Fall sein. Sie sollten sich aber zuerst das Video unten ansehen, um sicherzustellen, dass Sie das Gebotene ertragen können. Seien Sie gewarnt, der Emulator läuft etwas langsam – das hat aber den köstlichen Effekt, dass alle schwer betrunken klingen. Sie sollten vielleicht selbst das eine oder andere Glas kippen, ehe Sie dieses Spiel spielen.
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