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Warum Dark Souls 3s Aldrich der beste Boss des Jahres 2016 ist

 

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[Warnung! Es folgen zahleiche Spieler für alle Dark Souls Spiele.]

 

Sie werden zuerst seine Gefolgsleute kennenlernen – kichernde Oger-Damen in verfilzten, durchhängenden Korsetts und mit Folterwerkzeugen an den Gürteln sowie Träger mit rotem Gewand, die Käfige voller Knochen und Fleisch tragen. Tief im Undead Settlement (Untote Siedlung) – ein Gebiet, das Sie erreichen werden, wenn zwei Wasserspeier (gargoyles) Sie von Lothric Castle die Klippen hinuntertragen, was eine unheilvolle Umkehrung eines Schlüsselmoments des ersten Dark Souls ist – werden Sie Räume finden, in denen Leichen hängen, sorgfältig in Sackleinen verpackt und bereit für den Transport.

 

Jenseits davon wartet die Road of Sacrifices (Straße der Opfer) mit ihren mutierten Aasvögeln und der einsamen Verrückten in Lumpen, die mit einem Fleischerbeil bewaffnet ist, eine Straße, die Sie durch die Crucifixion Woods (Kreuzigungswald) zum Gelände einer beschmutzten/entehrten Kathedrale führt. Und dann sind da seine Ringe, erhalten von den kolossalen Mischungen von Wolf und Spinne, die diese Kathedrale heimsuchen – magische Artefakte, die ein bisschen vom schrecklichen Hunger des Meisters auf ihren Träger übertragen. Aldrich, Saint of the Deep (Heiliger der Tiefe). Aldrich der Menschen-Esser.

 

In Lothric herrscht kein Mangel an eigensinnigen, missratenen Lords – die Prinzen, die in ihrem Trum schmollen, die Abyss Watchers (Abgrund-Wächter), die mit einer Orgie der Selbstzerstörung beschäftigt sind – und es gibt sicher kompliziertere und schwierigere Bosskämpfe. Müsste ich einen Favoriten wählen, wäre das vermutlich der Dancer (Tänzer), ein geschmeidiger, silbriger Riese, dessen Schritte klingen wie das Ticken einer extrem lauten Uhr. Aber es ist Aldrich, der am meisten reizt und quält, Aldrich, rund um dessen unheilige Begierden so viel von Dark Souls 3s Gesellschaft und Geographie organisiert ist, und Aldrich, der der Fokus der Veränderung des Spiels – nach dem exklusiv für die PlayStation 4 erschienenen Bloodborne - hin zum Makabren ist.

 

 

Sie werden einen großen Teil des Spiels damit zubringen, sich Ihren Weg zu ihm zu bahnen – eine zunehmende und nervenaufreibende Nähe, während die Präsenz Yhorms und der Prinzen erst spürbar wird, wenn man ihren unmittelbaren Bereich betritt. Sie werden nach und nach aus Dialogen und Beschreibungen von Gegenständen mehr über das Objekt von Aldrichs Glauben erfahren – eine ozeanische metaphysische Ebene, die nicht mehr sein mag als eine Umarbeitung des Abyss (Abgrund) aus Dark Souls, die aber über eine Art Leben verfügt, schwärend und zersetzend, während der Abyss luftleer und still ist. Es wird angedeutet, dass Aldrichs Kannibalismus eine Art Parodie der katholischen Eucharistie ist, ein Versuch, den „Bodensatz“ oder die schwersten Elemente eines menschlichen Lebens in seinem eigenen Fleisch zu konzentrieren, um so tiefer in den Bauch der Tiefe vorzudringen. Aber die Hauptmotivation ist einfach Appetit, und die Kirche ist in gewisser Weise nur ein Mechanismus der Eindämmung und reguliert Aldrichs „Diät“ auf Befehl des selbsternannten Pontiff Sulyvahn.

 

Das ist jedenfalls der Eindruck, den ich gewann, als ich mich zu Aldrichs Sarg vorkämpfte, einem gebäudegroßen Würfel aus geripptem Stein, der eher an ein Silo zur Aufbewahrung nuklearer Abfälle erinnert als an ein Grab. Es stellt sich heraus, dass Aldrich nicht länger in der Kathedrale residiert – in einer wirklich gekonnten Verdichtung des Plots ist er nach Irithyll im Boreal Valley aufgebrochen. Oder zumindest ein großer Teil von ihm. Während Sie gegen in Roben gekleidete Diakone und ihre Diener kämpfen, werden Sie auch auf abgelöste, lebendige Brocken des Fleisches des Lord stoßen,die sich im Dreck unter den Füßen gefangener Riesen suhlen.

 

Es ist wichtig, dies alles im Kontext der Beschäftigung mit Konsum/Verzehr im Allgemeineren zu sehen, der sich Entwickler From Software und Hidetaki Miyazaki verschrieben haben. Dark Souls ist schließlich eine Serie, in der man Seelen zu sich nimmt, um die eigenen Fähigkeiten zu verbessern, und die wichtigsten Gegner sind im Grunde Fresssäcke – Kreaturen,, die exzessiv verschiedene verbotene Energien konsumiert haben oder vom Elend ihrer Untertanen trunken sind. Da sie nicht gewillt sind, einen lange überfälligen Tod zu akzeptieren, müssen sie gezwungen werden, auf all das zu verzichten, was sie assimiliert haben. Und am Ende des ersten Spiels wird Ihr Charakter aufgefordert, dies ebenfalls zu tun – er soll sich selbst und alles, was er im Laufe des Spiels hinzugewonnen hat, der First Flame als Opfer darbringen, um die Welt zu verlängern, wie sie ist.

 

 

Dies ist eine Meditation über die Kosten unnatürlicher Langlebigkeit, die sich notwendigerweise auch auf den Akt der Entwicklung von Fortsetzungen erstreckt. Miyazaki durchbricht die vierte Wand nie so offensichtlich oder ausgeschmückt wie zum Beispiel Hideo Kojima, doch seine Spiele sind übersät mit unbehaglichen Anspielungen auf die Idee des Aufbauens auf einer Formel. Eine dieser Anspielungen ist die Anwesenheit eines Feindes aus dem dem 2009 erschienenen Demon’s Souls im Painted World Bereich von Dark Souls – eine Verbeugung vor dem Spiel, mit dem alles begann, in einer Repräsentation in einer Repräsentation. Kannibalismus ist die wohl pointierteste Erforschung dieser Parallele bisher. Wenn die Idee des Übergebens an eine Flamme einen deutlichen Bruch repräsentiert, einen Akt, der durch Zerstörung transformiert, bedeutet Kannibalismus, dass man sich selbst mit den widerlichsten Elementen der Vergangenheit vollstopft. Es ist die kränklichste Art sich wiederholenden Denkens, denn dabei wird das eigene Erbe nicht nur „gemolken“, sondern in der Hoffnung eines Neustarts richtig durchgekaut, und jenen, die sich dem Kannibalismus hingeben, ist, wie das Spiel andeutet, ein böses Ende vorherbestimmt.

 

Aldrich entgegenzutreten, bedeutet, sich diesen Ängsten über das Konzept einer “creative franchise” direkt zu stellen und sie zu bekämpfen. Nachdem Sie sich durch Katakomben voller hyperaktiver Skelette gekämpft und ein Zusammentreffen mit Sulyvahn überlebt haben, finden Sie den Lord schließlich am Gipfel von Anor Londo, der Stadt der Götter aus dem ersten Dark Souls, die nun zu einer nasskalten und schleimigen Hülle verkommen ist. Hier machen Sie die mit Anstand widerlichste und böseste Entdeckung des Spiels. In einer grausigen Abwandlung der antiken griechischen Geschichte von Chronos, der seine eigenen Kinder verschluckt, hat Aldrich Gwyndolin, den letzten und schwächsten der Götter, in die Enge getrieben und gegessen.

 

So leid Gwyndolin uns auch tun mag, es ist trotzdem möglich, ein gewisses Maß an Mitgefühl für seinen Killer zu empfinden. Da er sich mit dem Bodensatz hunderter Opfer vollgefressen hat, ist Aldrich zu einem formlosen Wesen verkommen – ein verdorbener, den Raum füllender Morast verrotteter Fasern und Knochen, der die leblose Hülle von Gwyndolin wie eine Puppe schwingt. Da er die Essenz anderer verschlingen und verdauen möchte, ist der Lord dazu verdammt, seine eigene zu verlieren. Seine Attacken sind verzerrte Echos von Gwyndolins Zaubern und Fähigkeiten, der Soundtrack des Kampfs ist eine Mischung der Musikstücke für Gwyndolin und Nito, First of the Dead, einen weiteren Charakter aus Dark Souls 1. Seine Taktiken sind plump, nachlässig, umhüllend – ein mystisches Bombardement mit Pfeilen, das Sie durch die Kammer jagt, ein defensiver Hagel von zielsuchenden Soul Masses, die ausgekotzt werden, wann immer er Schaden erleidet, ein sich ausbreitender Feuermantel, wenn seine Gesundheit unter ein bestimmtes Niveau fällt.

 

Nachdem er sich zum Gipfel des Dark Souls Universums gefressen und gesoffen hat, ist Aldrich nun das leere Zentrum seines eigenen Mysteriums. Dass der Kampf irgendwie enttäuschend (anti-climatic) wirken kann - er spielt sich im selben Gebiet ab wie die großartige Auseinandersetzung mit Ornstein und Smough im ersten Spiel und ist nicht annähernd so vollkommen -, passt perfekt zum Thema des Spiels.

 

 

Ob Sie die kleine Meta-Erzählung, die ich zusammengebastelt habe, für überzeugend halten oder nicht, Aldrichs Geschichte ist herrlich schaurig, die Art von sich langsam entwickelnder abstoßender Bedrohung, die Entwickler öfter versuchen sollten. Die tatsächliche Ausübung des Kannibalismus ist von einer schrecklichen, verlockenden Zweideutigkeit umgeben, die durch die geschickte Übersetzung der Texte von Dark Souls ins Englische (die deutsche Version ist nicht ganz so gelungen) noch verstärkt wird. Wir erfahren, dass er “slowly devoured the God of the Darkmoon”, ein Vorgang, der sich relativ schmerzlos anhört, eher Absorption als Verzehr. Aber es wird auch von anderen Opfern erzählt und dass er “imbibing the final shudders of life while luxuriating in his victim’s screams” genoss. Ist dies die Aktivität einer Amöbe, die langsam ihre betäubte Beute zersetzt, oder ein Werk von Hammer-Horror – zerfetzend, zerbrechend, beißend?

 

Ich bin mir nicht sicher, ob ich das wissen möchte. Dass viele Aspekte der Welt, die From Software in den Souls Spielen präsentiert, nicht genau fassbar sind, ist für de Erfolg wesentlich, denn nur so ist garantiert, dass viele Möglichkeiten am Rand des Sichtfeldes des Spielers dahinjagen, während ein beängstigendes Objekt deutlich sichtbar wird. Das einzige Spiel, das diese Art teuflischer Andeutung besser macht, ist meiner Meinung nach Failbetters Sunless Sea mit seiner “Unaccountably Peckish” Eigenschaft und der schrecklichen Option zu “feast!” (Schlemmen!), wenn die eigenen Vorräte zur Neige gehen.

 

Die Souls Serie war anfangs sehr ungewöhnlich und überraschend, riskiert aber nun, zu einem der fixen Bestandteile der Industrie und damit völlig verwässert zu werden. Die Liste der Imitationen wird immer länger und Dark Souls III mag zwar ein hervorragendes Spiel sein, aber es ist auch eines, das erweitert und ausdehnt, anstatt zu transformieren. Doch Charaktere wie Aldrich deuten darauf hin, dass Miyazaki sich der Gefahren abnehmender Erträge durchaus bewusst ist (er ließ durchklingen, dass dies die letzte direkte Souls Fortsetzung sein wird), dass aber Souls noch immer zu bedeutendem Wachstum fähig ist – weg von den stattlichen und traurigen Abscheulichkeiten des ersten Dark Souls und vermehrt hin zu der Art von Körperhorror, die mit Bloodborne so richtig Einzug hielt. 2016 hat uns viele Monster beschert. Aldrich ist wenigstens ein Monster, das ich bewundern kann.

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