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Eminem: Revival (Albumkritik)

 

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Eminem: Revival (Aftermath/Shady/Interscope)

 

 

Liebe Leser, wir haben einen Gewinner. In den vergangenen 20 Jahren haben zwei technisch versierte und emotional gebildete Rappers um den Titel „Künstler mit dem schlechtesten Ohr für Beats“ gekämpft. Tut mir leid, Nas, aber Du wurdest nun endgültig und ganz eindeutig besiegt.

 

Was die Produktion anbelangt, ist Revival eine Katastrophe. Falls Eminem der Ansicht ist, mit seiner Box voller verbaler Tricks die Schwächen eines jeden Backing-Track wettmachen kann, beweist seine neueren Laben, dass dies nicht stimmt. Revival beginnt mit „Walk on Water“ mit Gaststar Beyoncé: dieser Song ist so aufregend wie die Suche nach neuen Duschvorhängen – aber befände er sich am Ende dieses ermüdenden Longplayer, würde er wenigstes eine angenehme Erholungspause darstellen. Sein Beat ist relativ dezent, verzichtet auf Bombast und lässt einen nicht am Verstand aller Beteiligten zweifeln. Viel schlimmer ist das belanglose Geschreibsel seines regelmäßigen Mitarbeiters Alex da Kid, der stets per Schnellwahltaste erreichbar ist, um Füllmaterial für Alben abzuliefern, oder die Entscheidung, sich für das lächerliche „Remind Me“ bei Joan Jett & the Blackhearts' Version von „I Love Rock'n'Roll“ zu bedienen. Verantwortlicher Produzent für diesen peinlichen Track ist Rick Rubin – der Mann hinter „99 Problems“, Run DMCs „Walk This Way“ und Johnny Cashs Version von „Hurt“.

 

 

Fans aus seinen Anfangsjahren haben Eminem längst den Rücken gekehrt, was ihm vollkommen egal sein dürfte, aber würde man ihnen dieses Album vorspielen, wären sie verdutzt. Eminem ist eindeutig ein Rapper, aber hier ist kaum eine Spur von Hip-Hop vorhanden. Die Gäste – Alicia Keys, Pink, Ed Sheeran, Beyoncé – deuten ebenso auf Ambitionen hin, mit Pop-Rap Stadien zu füllen, wie die vertrauten Songstrukturen. Der Anfang ist langsam, er wird wütender, er explodiert geradezu in weißglühendem Zorn, ein hymnischer gesanglicher Hook setzt ein. Dann wird das Ganze wiederholt – 77 Minuten lang.

 

Anno 2017 ist das Interessanteste an diesem Rapper seine Entscheidung, sich von vielen Leuten abzuwenden, die ihn jahrelang unterstützten. Es besteht kaum Zweifel, dass frühere Hymnen von Eminem Trost oder wütende Katharsis für jene Jugendlichen waren, die sich ihre Wut und ihren Hass auf 4Chan von der Seele schreiben und Pepe the Frog Meme teilen, weshalb seine vor kurzem veröffentlichte Freestyle-Tirade gegen Donald Trump von einer willkommenen Bereitschaft zeugt, sich auf große, potenziell unpopuläre Kämpfe einzulassen. Doch leider ist auf Revival wenig von einer überzeugenden Analyse der USA in der Trump-Ära zu finden.

 

 

Framed“ und das seltsame, aber faszinierende „Untouchable“ bieten mehr, was gefallen kann. Ersterer Song ist eine Verbeugung vor Making a Murderer und guter altmodischer Horrorcore, wobei Eminem mit Ivanka Trump im Kofferraum seines Autos unterwegs ist; seine Einfachheit und Bedrohlichkeit lassen ihn aus dem Einheitsbrei herausragen. Dieser Song gehört im Grunde nicht hierher. Auf „Untouchable“ zeigt er sich begierig, Rassenbeziehungen zu thematisieren, wobei er von der Perspektive eines rassistischen weißen Polizisten zu der eines schwarzen Mannes wechselt, was durch eine Veränderung des Beat noch deutlicher gemacht wird. Es ist ein kniffeliger Drahtseilakt und womöglich eine Fehleinschätzung, aber der Song zeugt von Ambition und sprengt die Formel.

 

In „Offended“ hingegen sind mehr Reimschemata, Flows und Pointen verpackt, als die meisten MCs in einer ganzen Karriere zuwege bringen, aber der Track überzeugt auch mit dem besten Beat des gesamten Albums. Dennoch ist er ein Durcheinander, denn er ist zu schelmisch und trickreich und wird von einem wirklich lächerlichen Hook untergraben. Eminem scheint Jahre damit zugebracht zu haben, wirklich jeden Reim zu einem Pointenfeuerwerk zu verbessern, das sich selbst auffrisst – ein Tiefpunkt wird mit der Zeile “I’ve got to meet her like a taxi” aus „Heat“ erreicht.

 

Das Album hat regelmäßige Durchhänger wie das nun einmal bei einem Werk mit nicht weniger als 19 Tracks zu erwarten ist, doch zwei introspektive Momente am Ende schaffen es, das Konzept ansatzweise zu retten. In „Castle“ schreibt er Briefe an seine Tochter, um dann in „Arose“ Wiedergutmachung für die Fehler seines Lebens zu leisten, während er sich vorstellt, auf seinem Totenbett zu liegen – und dann trägt er eine umgearbeitete Version von „Castle“s letzter Strophe vor, womit er wieder vom Leben Besitz ergreift.

 

Doch diese Reife kommt zu spät – die Zeiten, da man Eminem noch ernst nehmen konnte, sind schon lange vorüber. Revival ist voller Tracks, auf denen er verschiedene Leute um Verzeihung für sein Verhalten bittet, nur um dann einen Track folgen zu lassen, in dem es darum geht, jemanden zu töten, und einen Peniswitz anzubringen.

 

Meint er es ernst, wenn er auf „Castle“ rappt: “I’ll put out this last album, then I’m done with it / One hundred percent finished, fed up with it / I’m hanging it up, fuck it”? Vieles auf diesem Album lässt einen hoffen, dass dies der Fall ist.

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