Courtney Marie Andrews: May Your Kindness Remain (Loose)
Nach einigen Minuten explodiert der Titelsong von Courtney Marie Andrews’ neuem Album, eine getragene Ballade, plötzlich mit Gitarre: kein Lärm, kein Shredding, nur ein simples Solo mit massig Hall, sodass sich die Noten stets am Rand zum Feedback bewegen. Es hört sich wie ein Eingeständnis von Wut an, auch wenn Andrews um Toleranz im neuen Amerika bittet: “If your money runs out / And your good looks fade / May your kindness remain”, singt sie, während das Rumoren unter ihr immer heftiger wird. Diese dröhnende Gitarre – als wäre Phil Spector ein Americana-Produzent gewesen und sich entschlossen, den “wall of country” zu kreieren – taucht auf May Your Kindness Remain immer wieder auf und verleiht ihm so eine Kraft und eine ausgeprägte Identität, die es über die vielen exzellenten Americana-Alben der letzten Monate hinaushebt.
Die Gitarre ist eines der Elemente – zusammen mit der Orgel und Mark Howards weiträumiger, ab fokussierter Produktion -, die dem Album eine ungewöhnliche Intensität geben. May Your Kindness Remain klingt, als wäre es stets kurz davor, wie ein Vulkan auszubrechen – hier gibt es keine „Wir tranken in deinem Truck Bier“ Songs. Andrews hat mehrmals gesagt, dass das Thema dieses Albums der Umgang mit Depression ist, was man spüren kann, ohne auf die Texte zu achten.
Doch inmitten des Elends gibt es auch die Suche nach Momenten der Unbeschwertheit. „This House“ ist meilenweit entfernt von Madness’ Haus oder Graham Nashs Haus - “Empty cans on the counter / And the laundry’s never done”, singt Andrews, während sie die Unzulänglichkeiten ihrer Umgebung genau schildert, auch wenn sie darauf beharrt, dass “this house ain’t much of a house, but it’s a home”. May Your Kindness Remain bestätigt Andrews’ Aufstieg. Es ist ein brillantes Album, das beweist, dass alte Formen nach wie vor zeitlos sein können.
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