Meshell Ndegeocello: Ventriloquism (Naïve)
Meshell Ndegeocello ist kein Fan des modernen R&B: “I find myself not being able to listen to a lot of [it]”, gestand sie vor kurzem freimütig in einem Gespräch mit Billboard, “just because of the vibration it gives off.” Es kann also nur wenig verwundern, dass die gefeierte Pionierin des Neo-Soul nach einem Jahr voller Trauer, in dem sie einen Elternteil ganz verlor und den anderen halb, nämlich an Demenz, den Entschluss fasste, rückwärts zu blicken und bei vertrauten, vergangenen Sounds Trost zu suchen.
Ndegeocello ist wahrlich kein Neuling, was Cover-Projekte anbelangt. 2012 veröffentlichte sie Pour une Âme Souveraine: A Dedication to Nina Simone, eine gelungene Hommage an die große Nina Simone, und ehrte Fats Waller, indem sie auf All Rise: A Joyful Elegy for Fats Waller von Jason Moran, dem Komponisten des Soundtracks von Selma, sang. Auf Ventriloquism überarbeitet sie Klassiker verschiedener Künstler, wobei es sich ausschließlich um Songs handelt die zwischen 1985 und 195 erschienen, also in dem Jahrzehnt, das Ndegeocellos gefeiertem Debüt Plantation Lullabies voranging.
Das Resultat ist seltsamerweise zeitlos. Soul-, Swing- und Funk-Klassiker vergangener Zeiten gelangen durch Ndegeocellos gefühlvolle Neuinterpretationen zu neuer Blüte: die süßliche, knabenhafte New-Jack-Swing-Romantik von Ralph Tresvants „Sensitivity“ nimmt hier eine sanfte Vaudeville-Wärme an; Janet Jacksons „Funny How Time Flies“ wird von einer opulenten, trägen Nummer, die gern zu Liebesspielen aufgelegt wird, zu einer düsteren Alt-Rock-Grübelei; und Sades „Smooth Operator“ ist straff, verschlagen und rauh, wo das Original berühmt seidenweich und einschmeichelnd ist.
Was Überarbeitungen anbelangt, sind dies mutige Darbietungen – kreativ, unvorhersehbar, reich und von Ndegeocellos gefühlvollem Kontralto geprägt. Es gibt hier eine klare Intention, eine subtile, verwandelnde Magie. Und ob man Ndegeocello zustimmt oder nicht, was den Zustand des modernen R&B mit seinen “Karaoke” Sängern anbelangt, man kann nicht leugnen, dass sie hier Originelles bietet.
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