Toni Braxton: Sex & Cigarettes (Def Jam)
Toni Braxton mag seit kurzem mit dem Hip-Hop-Mogul Birdman verlobt sein, aber auf diesem Album ist weit und breit nichts von den Freuden der Verliebtheit zu hören – stattdessen scheint sie sich dauerhaft in einen Marianengraben des Elends nach dem Ende einer Beziehung zurückgezogen zu haben. Das ist natürlich ihr dominanter Modus Operandi. Sie ist nach wie vor vor allem für „Unbreak My Heart“ bekannt, wo die niedergeschlagene Sängerin weiß, wie unmöglich die Forderung des Titels ist, aber doch nicht anders kann, als dies zu fordern. Textlich sind selbst fröhliche Hits wie „You’re Making Me High“ voll stillem Schmerz. Wie es bei der großen Billie Holiday der Fall war, biegt sich auch Braxtons Stimme reflexartig Richtung Trauer und tut dies auch, wenn ein großer Diamant an ihrem Finger glitzert.
Ein sehr starkes Trio von Songs eröffnet dieses Album, beginnend mit „Deadwood“, einer Nummer, die mit einem fantastischen Refrain, der zum Mitsingen animiert, akustischem Klimpern und Streichern erfreut, die klingen, als wären sie in Chardonnay getaucht worden. Vielleicht hätte dieser Song von einem traditionelleren Power-Balladen-Arrangement profitiert, aber er ist dennoch sehr gut. Dass die Betonung bei “deadwood” verbittert auf “dead” liegt, ist jene Art von wirkungsvollem, stilvollem Detail, wie man es nur nach einem ganzen Leben voller Herzschmerz-Songs beherrscht.
Die geschmeidige R&B-Single „Long As I Live“ verfügt über eine sogar noch stärkere zentrale Melodie, doch es ist der Titeltrack, eine Klavierballade, die diese Eröffnungssalve dominiert: eine Geschichte von emotionalem Missbrauch, die Braxton mit einem ähnlich schweren Trauma wie in „Unbreak...“ zeigt, denn sie muss einen Liebhaber, der sie betrügt und sich nicht einmal die Mühe macht, seinen Geruch nach Sex und Zigaretten zu verbergen,, fast auf Knien anflehen “at least lie to me, lie to me”. Am Ende kann man praktisch den Rotz und die Tränen hören, während sie zusammenbricht. Mindere Sängerinnen würden ins Theatralische abgleiten; Braxton macht es schockierend ehrlich.
Sie erreicht diese Anfangshöhen auf dem restlichen Album nie mehr ganz, und die Produktion wirkt mitunter zu routiniert: die „Viva La Vida“ Imitation von „Coping“ und die Tropical-House-Klänge von „Missin’“, die längst passé sind, seien hier als Beispiele genannt. Aber es wird hier eine meisterliche emotionale Bandbreite geboten: von schwelender Wut auf „FOH“ (“Boy you must be suicidal / Is that bitch right there beside you” scans with a chilling brilliance) bis hin zu sanftem Bedauern auf „My Heart“. Wirkliche Freude oder Zufriedenheit sucht man hier vergeblich. Was Birdman sich wohl denken mag?
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