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04.06.2018

Neko Case: Hell-On (Albumkritik)

 

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Neko Case: Hell-On (Anti-)

 

 

Als 2017 ihr Haus abbrannte, drang die lokale Zeitung in einem Maße in die Privatsphäre von Neko Case ein, dass sie befürchtete, jener Stalker, dessen juristische Bekämpfung sie erst kurz davor in den Ruin getrieben hatte, würde zurückkehren.Die Journalistin veröffentlichte die wütende, private Antwort der Künstlerin, die ihr etwas darüber sagte, wie Frauen ihre Lebensgeschichten gestohlen werden und wie schnell ihre Wut darüber als Hysterie dargestellt wird. Hell-On, Cases siebentes Album thematisiert diesen Diebstahl durch selbstsüchtige Schreiberlinge und grausame Männer – und Case verficht die Tatsachen ihres Lebens mit mutiger Offenheit und viel Witz.

 

Wenn sie über Diebstahl spricht, bevorzugt Case dichte, naturalistische Bilder und dornige Parabeln: der “last lion of albion”, der um des Profits willen abgeschlachtet wurde und nur im Tod als vermarktbares Symbol bewundert wird; das von Fleetwood Mac inspirierte „Halls of Sarah“ handelt von einer Muse für die Dichter, die “do an odious business loving womankind as lions love Christians so”. “My voice is not the liquid waves”, warnt sie im Titelsong, einem harten Walzer. Diese tiefsinnigen, gespenstischen Songs mit ihren tickenden Tempos, mysteriösen Synthesizerklängen und hellen Gesangsharmonien, die mehr oder weniger in der Luft hängen bleiben, anstatt ordentlich aufgelöst zu werden, zeichnen sich durch gewisse Vorahnung aus und stellen einen wunderbaren Kontrast zu den fröhlicheren Popmomenten - „Bad Luck“s lautes Stolzieren im Stil der 1960er und eine tief empfundene Coverversion von „Sleep All Summer“ – und der schlichten Sprache dar, die Case für ihre eigenen Geschichten verwendet.

 

Die Erinnerung kann so unerbittlich wie sein wie jede andere Kraft, die versucht, sich der Geschichte eines Menschen zu bemächtigen, deutet sie an. “I waited too long to write this down / The startling sensation is fading”, singt sie auf „Curse of the I-5 Corridor“, einem wunderschönen, entspannten, fast nachlässigen Song, in dem sich Case daran erinnert, wie sie mit 15 von Zuhause weglief, um die Welt zu entdecken. “There’s memories I’d pay to remove”, bereut sie auf „My Uncle’s Navy“, dessen düsterer Alt-Rock-Ton im Stil der 80er die Entfernung erahnen lässt, die sie zwischen sich und den gewalttätigen Mann bringen möchte, der sie in ihrer Kindheit terrorisierte.

 

In dem seekranken Liebeslied „Winnie“ personifiziert Case ihr feministisches Erwachen als eine Seeheldin. “I wanted to be her sailor’s tattoo”, singt sie voller Ehrfurcht. Alle, die sich Hell-On, diesen neuen Höhepunkt in Cases unendlich bewegender Karriere, hören, werden genau wissen, wovon sie spricht.

 

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