Tash Sultana: Flow State (Columbia)
In ihrer australischen Heimat hatte Tash Sultana buchstäblich über Nacht großen Erfolg. Die in Melbourne geborene Künstlerin konnte nach eigenen Angaben innerhalb von 24 Stunden mehr als 10.000 neue Follower gewinnen, nachdem Sie einen Clip einer Darbietung in ihrem Wohnzimmer auf YouTube veröffentlicht hatte. Doch dabei blieb es nicht, denn mittlerweile hat die Singer-Songwriterin rund 3 Millionen Hörer pro Monat auf Spotify.
Der Grund für Tash Sultanas plötzlich große Beliebtheit ist nicht leicht zu finden. In gewisser Weise klammert sich die 23-jährige Musikerin, die sich als „gender non-binary“ definiert, an das Ed-Sheeran-Modell: beide begannen ihre Karrieren als Straßenmusiker, beide treten allein auf und setzen auf Loop-Pedale statt auf eine Band als Begleitung, beide geben sich in der Öffentlichkeit bescheiden und scheinen hart zu arbeiten. Dieser Modus operandi ist momentan sehr dazu angetan, das Publikum zu entzücken, doch Sultanas Werk ergibt im Unterschied zu Sheehans nicht sofort Sinn als populistisches Produkt. Es fehlen Melodien, die in Erinnerung bleiben, die meisten Songs sind ausufernd, locker strukturiert, sanft und erinnern an Singer-Songwriter-Werke aus den 1990ern, die mit R&B, eigenwilligen Instrumentierungen und psychedelischen Gitarren-Wigouts aufgepeppt werden.
Keine Facette von Sultanas Debütalbum ist überraschend – auch der typische Nu-Blues-Gesang nicht, der natürlich nicht auf die üblichen, mit seltsamem Akzent vorgetragenen Affektiertheiten verzichtet. Bemerkenswert ist allenfalls die Thematik mancher Songs: als Teenager litt Sultana unter einer von Drogen verursachten Psychose, und auf diese höllische Erfahrung spielen manche Texte an – aber diese Anspielungen sind so vage gehalten, dass die Songs dem Gelegenheitshörer nicht sauer aufstoßen. Vielleicht ist es diese Harmlosigkeit, die Sultanas Erfolg ausmacht – sie macht Musik, die leidenschaftlich klingt, aber letztlich niemanden aufschrecken, sondern einfach nur Futter für die Charts sein möchte.
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