Orrin Evans and the Captain Black Big Band: Presence (Smoke Sessions)
Mitunter reichen das Temperament und der Geist einer Jazzdarbietung aus, um alle möglichen Vorbehalte, etwa ob das improvisierte Solo nahe genug am Groove blieb oder ob die Agenda genug Identität bestätigende Kästchen abhakt, im Keim zu ersticken. Die vom aus Philadelphia stammenden Pianisten Orrin Evans (er ist Nachfolger von Ethan Iverson im Trio Bad Plus) geleitete The Captain Black Big Band arbeitet mit dieser Art von wildem Aplomb. Ihr nächster Verwandter, was explosiven Swing mit reichlich Riffs und starken Soli anbelangt, ist die Mingus Big Band, in der Evans ebenfalls spielt. Doch Evans schätzt auch die Bandleader-als-improvisierender-Auteur-Methoden des verstorbenen Butch Morris: solche “Dirigier”-Techniken sind eine aufregende, aber riskante Angelegenheit für große Jazzgruppen.
Dieses dritte Captain Black Album wurde live in zwei Jazzclubs in Philadelphia eingespielt, und zwar mit einer aus neun Musikern bestehenden Version der Band. „The Scythe“, der vom Posaunisten David Gibson komponierte erste Track dieses Werks, erfreut mit einer schnelle, harte, absteigenden Melodie, wobei Klatschen den wilden Swing verstärkt. Bald beginnt eine Serie von Soli, von Troy Roberts’ im Stil Coltranes gehaltenen Tenorsaxophon-Anfang (gelegentlich rhythmisch ein wenig zu frei) bis hin zu Evans' neckisch fragmentierter Einladung an die Band, wieder einzusteigen. „The Question“ von Eric Revis entwickelt sich aus einem gewundenen, tiefen, von Roberts gespielten Saxophon-Intro und verschmilzt kollektives Improvisationsgerangel mit Bläser-Ausrufen. Evans’ „When It Comes“ und „Flip the Script“ sind fröhliche Staccato-Riff-Melodien voll mit schwungvollen Soli und schwindelerregenden Taktwechseln, und Roberts’ „Trams“ ist eine an Hooks reiche Groovenummer, die die für Captain Black typische Mischung aus Partystimmung und gefährlichem Abenteuer perfekt verkörpert. Die Nonchalance im Bezug auf präzises Ensemblespiel wird nicht allen gefallen, aber je mehr Gelegenheit man hat, diese Band live zu hören, desto eher wird man sich mit ihr anfreunden.
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