Bill Ryder-Jones: Yawn (Domino)
Bill Ryder-Jones’ letztes Soloalbum – Titel West Kirby County Primary – war ein unaufdringliches, gelegentlich verstörendes Meisterwerk. Es war in eine Hülle gepackt, die ein unscharfes Photo seines Schöpfers im Bad ziert, und sein melodisch betörendster Track war „Daniel“, eine textlich niederschmetternde Aufarbeitung des Unfalltodes seines älteren Bruders im Alter von neun Jahren und seiner Auswirkungen auf Ryder-Jones’ psychische Verfassung. Die Stimmung des Nachfolgers ist ähnlich grüblerisch. Die Songs schlurfen träge dahin. Die Arrangements sind sehr schlicht: akustische Gitarre, Cello und alles auslöschende Verzerrung oder eine aus Gitarre, Bass und Schlagzeug bestehende Band, die mitunter wie Dinosaur Jr oder Pavement in verzweifelter Stimmung klingt, während Ryder-Jones’ Gesang so aufgenommen wurde, dass man das Gefühl hat, er singe einem direkt ins Ohr, als würde er einem ein Geheimnis anvertrauen.
Und die Texte wirken oft wie eines: „There’s Something on Your Mind“ handelt vom Verlust der Lust auf Sex durch die Einnahme von Antidepressiva; im Hintergrund von „John“ scheint sich ein weiterer vorzeitiger Todesfall ereignet zu haben; irgendetwas Finsteres ist der Grund für den Streit, der in „Don’t Be Scared, I Love You“ geschildert wird. Doch das emotionale Gewicht wird durch Ryder-Jones’ Gespür für unbeschwerte Melodien ausbalanciert. Er schreibt nicht nur wunderschöne Melodien, sondern sie wirken auch völlig mühelos, als würden sie an Ort und Stelle aus ihm heraussprudeln; sein Überdruss wird durch seinen beißenden Witz gemildert: “There’s a fortune to be had from telling people that you’re sad”, merkt er einmal an, während „There Are Worse Things I Could Do“ Rizzos Tränen-einer-starken-jungen-Frau-Song aus Grease als Startpunkt wählt.
Das Resultat ist ein Album, das einen nach und nach einhüllt: zu gleichen Teilen bewegend, schmerzlich und erhebend.
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