Gunna:
Drip or Drown 2 (Young Stoner Life/300 Entertainment)
Nachdem er eine Serie von Underground-Miytapes veröffentlicht hatte und von
Young Thug gefördert worden war, wurde der 25-jährige Rapper
Gunna 2018 unter anderem von
Mariah Carey, Travis Scott,
Future und
Lil Yachty eingeladen, als Gast etwas zum einen oder anderen ihrer Songs beizutragen, und erreichte mit einer dieser Kollaborationen, dem wunderbar melancholischen
„Drip Too Hard“ (zusammen mit dem ebenfalls in Atlanta beheimateten
Lil Baby), die US Top 5. Er startet also das Jahr 2019 als einer der begehrtesten MCs der USA, und dieses Debüt-Soloalbum – nachdenklich, durchdacht, bewegend und auf ruhige Weise stolz – rechtfertigt dieses Hype.
Der Einfluss von
Young Thug ist zugegebenermaßen offensichtlich:
Gunna verfügt zwar nicht über dieselben stimmlichen Eigenheiten, aber er teilt dessen ziemlich niedergeschlagene Haltung. Wenn man nur die Texte allein liest, ist man versucht, ihn für einen typischen erfolgreichen Pop-Rapper zu halten: sie sind eine Auflistung des materiellen Erfolgs, darunter ein endloser Strom von “foreigns”, womit er den Rapper-Fetisch für nicht-US-amerikanische Autos fortsetzt, der in der Marketing-Abteilung von General Motors für Panik sorgen dürfte. Aber da sie in diesem klagenden Ton vorgetragen werden, drängt sich der Eindruck auf, dass er ein Mann ist, der über die spirituelle Leere seines neuen Reichtums bestürzt oder von den schweren Jahren, die diesem vorausgingen, zutiefst verletzt ist. “Sometimes a gangsta need a hug”, gesteht er auf
„Who You Foolin’“ ein; “We locked in the ghetto forever” bekräftigt
Lil Baby auf
„Derek Fisher“, obwohl er zu Beginn seiner Gaststrophe geradezu in Diamanten und Autos schwelgte.
Diese Tracks werden in dem typischen Atlanta-Stil mit seinen obsessiv wiederholten einzelnen Melodien vorgetragen, deren verführerische Monotonie das Gefühl einer pessimistischen Suche nach Sinn verstärkt.
Gunna setzt auch auf eine zweite Innovation aus Atlanta, und zwar die Improvisationen im Stil von
Migos, bei denen das letzte Wort einer jeden Zeile eindringlich wiederholt wird, die er hier interessant und mit durchaus beeindruckenden Ergebnissen weiterentwickelt. Er dehnt diese Improvisationen aus, überlappt sie und lässt sie in den nächsten Takt hineinreichen: die Wirkung, wie auf dem nominell deterministischen Track
„Outstanding“, ist ein impressionistischer Wortschwall; dieser Eindruck wird durch seine unsaubere Aussprache noch verstärkt.
Die Produktion von
Wheezy und
Turbo the Great ist außergewöhnlich und fügt sanfte Ausschmückungen mit Saiteninstrumenten – etwa einer Koto oder einer hallenden Gitarre, die wie
Arthur Russells Cello klingt – zur großzügigen Trap-Architektur hinzu. Das Resultat ist ein dezentes, selbstbewusstes Album: das perfekte Rap-Album für ein angeschlagenes Amerika.
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