Die Londoner Songwriterin Freya Ridings verdankt ihren Erfolg zu einem guten Teil der TV-Show Love Island, in deren letzter Staffel ihr Song „Lost Without You“ über einigen sehr emotionalen Momenten zu hören war.
Es ist schwer, sich eine Künstlerin vorzustellen, die weiter von Mallorcas winzigen Bikinis, gebräunten Leibern und aufdringlicher Zurschaustellung von Gefühlen entfernt wäre: Ridings hat sich auf unterkühlte, schmerzerfüllte Klavier-Balladen spezialisiert, weshalb nicht verwundern kann, dass ihr Debütalbum wie ein 12-teiliges Vorsingen um den Auftrag für den diesjährigen Weihnachtswerbespot von John Lewis wirkt.
Auf den meisten Tracks ist die BRIT School Absolventin (auch Adele und Amy Winehouse besuchten diese Schule) Ridings am Klavier zu hören, wobei sie klimpernde hohe Noten spielt, die so zart sind, dass sie kaum eine fünf Zentimeter hohe Plastik-Ballerina aus ihrem Spieldosen-Schlummer wecken könnten.
Angesichts des akustischen Wettrüstens in den Charts könnte man ihre minimalistische Herangehensweise für bewundernswert trotzig halten – jeder Song ein Erschießungskommando von Hitmachern – , wären die Resultate nicht so langweilig. „Poison“ klingt wie die Muzak-Version von Evanescences Goth-Pop-Klassiker „Bring Me to Life“; der Schatten von Florence + the Machine hängt über allem und macht deutlich, wie vergleichsweise schwach Ridings’ Stimme ist.
Sie kann schmettern, und macht das auch oft, aber es ist dieser ganz hinten im Rachen geformte, überdramatische Indie-Gesang, der als authentisch gilt. Es hört sich an, als hätte sie ihren Unterkiefer aus den Gelenken gelöst, um die tiefen Noten von „You Mean the World to Me“ zu erreichen, während ihre Aussprache auf „Wishbone“ zu einem Brei verschmilzt: “Tell me that I’ll see you again” wird zu “tehmethaaseeyahga”.
Wenn Sie und der Produzent Greg Kurstin versuchen, Songs auszuschmücken, sind die Resultate nie mehr als Standardkost. Das pochende „Castles“ möchte „Rolling in the Deep“ sein, plantscht aber eher im seichten Wasser herum. Für „Love Is Fire“ wurde der mit “Edge guitar” markierte Knopf gedrückt, doch muss man diesem Song immerhin zugute halten, dass er durchaus gute Figur als mitreißender Höhepunkt gegen Ende ihrer Live-Auftritte macht. Mit seinen “water!” Rufen, seinem Stampfen und der gesanglichen Raserei wirkt „Holy Water“ wie eine Parodie eines x-beliebigen weißen Popstars, der versucht, Gospel zu singen. Leider handelt es sich hier um einen ernst gemeinten Versuch.
Zusammengehalten wird all das von Ridings’ schmerzerfüllten Geschichten von verlorener Liebe, bei deren Vortrag ihre Stimme so heftig zittert, dass man sich unwillkürlich fragt, ob sie gezwungen wurde, in einer Kühlhalle zu singen. Man würde ihr am liebsten eine Decke anbieten und raten, Tinder für eine Weile zu löschen. Vielleicht täte ihr ein Aufenthalt auf Love Island gut.
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