Lloyd Cole erscheint im Vergleich mit seinen frivolen New-Romantics-Zeitgenossen wie ein intellektueller Titan. Er wurde Mitte der 80er als Frontmann der Commotions bekannt, deren Mischung aus klimpernden Gitarren und erwachsenen literarischen Anspielungen bei jenen auf viel Gegenliebe stieß, die sich nach etwas mehr Tiefe sehnten, als Howard Jones bieten konnte. Seit der Auflösung der Commotions anno 1989 war Coles Solokarriere erfreulich vielseitig, wobei er zwischen Ambient Electronica (am bemerkenswertesten sein 2001 erschienenes Plastic Wood und seine 2013 veröffentlichte Zusammenarbeit mit Hans-Joachim Roedelius) und traditionellerem Singer-Songwriter-Material hin und her wechselt. Auf Guesswork kombiniert er diese beiden Stränge seines musikalischen Schaffens, wobei er konventionelle Songstrukturen mit Synthesizern aufpeppt und verziert.
Die vor kurzem veröffentlichte Single „Violins“ ist exzellent und könnte nicht mehr nach 1980ern klingen, trüge sie Schulterpolster; dieser Song klingt, als hätten die Pet Shop Boys„Radio Gaga“ neu gemischt, allerdings mit beunruhigenderem Text: “The missile leaves the drone/ Flies through the window pane/ The mother and child join the wall of flame.” Für weitere Verwunderung sorgt der Text von „Night Sweats“, in dem Cole eingesteht, dass er ein “complicated motherfucker” ist. Guesswork beginnt zwar vielversprechend, aber mit der lobenswerten Ausnahme des prickelnden „Moments and Whatnot“ ist die zweite Hälfte dieses Albums, dessen beste Tracks vorne platziert wurden, ein bisschen enttäuschend, was vor allem daran liegt, dass die Songs unnötig in die Länge gezogen wurden, während eine prägnantere Ausführung wohl besser funktioniert hätte.
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