Wie bei Büchern ist es auch bei Videospielen nicht unbedingt angemessen, vom Cover auf den Inhalt (und vor allem auf dessen Qualität) zu schließen – oder von den ersten Kapiteln, auch wenn es noch so verlockend sein mag, einfach zu kapitulieren. Während der ersten ein, zwei Stunden dieses Spin-offs stellte sich nur die Frage, ob das Game of Thrones RPG nur komödiantisch schlecht ist oder aktive, unverblümte Häresie gegen George R R Martins fantastische, wenn auch immer aufgeblähtere Fantasy-Serie. Schreckliche Grafik. Ermüdende Kämpfe. Sprecherleistungen, die den Verdacht aufkommen lassen, der Produzent hätte sich einfach an einem Sonntagnachmittag aus dem Fenster gelehnt und zufälligen Passanten zugerufen: „Hey! Möchten Sie bei einer lizenzierten Abscheulichkeit mitmachen?“ Ich hatte schon Zahnarztbesuche, die unterhaltsamer waren.
Aber nach einiger Zeit fängt das Spiel, fast als wollte es um Vergebung bitten, an stimmiger und besser zu werden. In gewissem Umfang. Ein bisschen. Selbst in seinen besten Momenten ist Game of Thrones ein durch und durch mittelmäßiges Rollenspiel. Es ist aber wenigstens ein mittelmäßiges Rollenspiel, das mit einer anständigen Story aufwartet. Diese spielt vor dem ersten Buch sowie zum Teil während der Handlung des ersten Buches und handelt von zwei Charakteren, zwischen denen scheinbar keine Beziehung besteht: es sind dies ein Bruder der Night’s Watch namens Mors, dessen von seiner Reibeisenstimme vermittelte Autorität leider dadurch untergraben wird, dass er so oft den Namen „Poddy“ aussprechen muss, und ein Red Priest (Roter Priester) namens Alester. Die beiden werden durch eine junge, auf der Flucht befindliche Frau zusammengebracht. Die Gründe dafür möchte ich nicht verraten, aber das Ganze fügt sich sehr gut in den ersten Roman ein, wobei die Kapitel abwechselnd von Abenteuern des einen und des anderen handeln.
Das Resultat kommt nicht einmal ansatzweise an The Witcher 2 heran, aber die Plotwendungen sind spannend, denn es gibt einige fiese Szenen und Sie können darüber entscheiden, wie zynisch Ihre Helden werden sollen. Alester kehrt nach hause zurück und möchte die Kontrolle über seine Heimatstadt Riverspring übernehmen. Sie entscheiden, ob er ein Mann des Volkes oder einer der typischen arroganten Lords von Westeros sein soll. Mors hingegen ist ein eingefleischter schwarzer Bruder, aber einer, der gewillt ist, Gnade vor Recht ergehen zu lassen, wenn es angebracht erscheint. Jeder der beiden verfügt auch über unterhaltsame einzigartige Kräfte – Mors kann vom Körper seines schon fast schon komisch hässlichen Hundes Besitz ergreifen, um zu beobachten und sich unbemerkt an Wachen, etc. vorbeizuschleichen, und Alester kann mit Hilfe seines Gottes R’hllor Feuer manipulieren. Diese Fähigkeiten sind ein wenig protzig, wenn man die Natur der Magie in den zivilisierteren Teilen von Westeros, etwa King’s Landing, bedenkt, aber nicht so auffällig wie die Fähigkeiten der meisten Zauberer in Rollenspielen, die zum Beispiel Feuerbälle vom Himmel regnen lassen können.
Die Story ist so linear, dass man mitunter fast das Gefühl bekommt, sich in einem Korridor-Shooter mit Rollenspielkampfsystem zu befinden, obwohl ab und zu Nebenmissionen eingebaut sind und Sie immer wieder Entscheidungen treffen müssen, die im weiteren Verlauf des Spiels zumindest kleinere Auswirkungen haben. Die Dialoge und die Handlung sorgen selten für die bedrohliche Atmosphäre und den Punch, die die TV-Serie und Martins Bücher so effektiv machen. Besonders die unvermeidlichen Bordellszenen sind im Vergleich zur TV-Show sehr zurückhaltend. Dennoch wird hier eine solide Story durchaus gekonnt umgesetzt. Dazu wird sie ziemlich spannend, wenn sie endlich in Gang kommt.
Das ist angesichts des schäbigen Designs umso beeindruckender. Game of Thrones RPG ist durchsetzt mit „WTF“ Momenten, denn man muss zum Beispiel so tun, als wären vier Typen vor einer Burg ein Volksaufstand, und sich die sexuellen Inhalte der Bücher und der TV-Serie selbst ausmalen, da sie hier fast schon komisch züchtig umgesetzt wurden. Außerdem wird das Kampfsystem so schlecht erklärt, dass Sie mit Sicherheit sofort getötet werden, sobald Sie das Tutorial verlassen und auf die ersten Straßenbanditen treffen.
Selbst wenn Sie das Kampfsystem irgendwann durchschauen, werden Sie nicht viel Spaß damit haben, denn es ist insgesamt schwach und nicht gut durchdacht – es ist langweilig, uninteressant und basiert fast ausschließlich auf Statuseffekten. Nützen Sie Ihren Skill, um den Feind zum Bluten zu bringen (oder so ähnlich). Setzen Sie gegen blutende Feinde einen Skill mit Bonusschaden ein. Widerholen Sie das Ganze, bis das gesamte Blut der Feinde ausgeflossen ist. Andere Elemente, etwa das Konsumieren von Heiltränken mitten im Kampf und Alesters fortgeschrittenere Feuerkräfte, passen einfach nicht zum Quellmaterial. Ehrlich, es ist am besten, Sie wählen die Schwierigkeitsstufe Casual und konzentrieren sich auf die Story. Die regulären Kämpfe werden schnell trivial, aber zum Glück gibt es einige, die herausfordernder sind.
Letztlich ist Game of Thrones RPG ein frustrierendes, hässliches, billig wirkendes Rollenspiel, das einfach zu viele Mängel aufweist, um empfohlen werden zu können. Aber Fans werden daran vermutlich mehr Gefallen finden, als sie sollten. Zumindest ist es kein nachlässig gemachtes „Spiel zur Serie“, sondern nur ein Spiel, das besser sein möchte, als es das bescheidene Budget zulässt. Falls Sie das tolerieren können – und es ist viel, das Sie tolerieren müssen -, sollten Sie dem Spiel trotz der schlechten Bewertung eine Chance geben.
PRO: Gelungene Story; interessante Protagonisten.
CONTRA: Schlechtes Design; langweilige Kämpfe; wo ist der Sex?
Abschließende Bewertung
Spiel: 5,0
Spaßfaktor: 5,5
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