In einer der ersten Szenen von The Wolf Among Us retten Sie eine Prostituierte vor dem betrunkenen Förster aus „Rotkäppchen“. Sie sind der Große Böse Wolf (Big Bad Wolf), der Förster ist streitlustig und die „leichte Dame“ hat eine harte Nacht hinter sich. Sie schleudern in mittels Quick-Timer-Events herum, schlagen ihm auf den Kopf, indem Sie die Shoulder Buttons drücken und stürzen dann mit dem nahezu unzerstörbaren Rohling in seinem karierten Flanellhemd durch ein Fenster ins Freie. Nachdem er davonhumpelte, wobei er murmelt, er werde zurückkommen, Sie aufschneiden und Ihren Bauch mit Steinen füllen,können Sie der Frau Geld anbieten, damit sie nicht mit leeren Händen zu ihrem Zuhälter zurückkehren muss. Sie heben keinen Grund, das zu tun, aber Sie haben auch keinen Grund, es nicht zu tun; es ist nur eine Entscheidung, die Sie treffen können, um die Persönlichkeit von Bigby Wolf nach Ihren Vorstellungen auszuformen. Schließlich geht es in The Wolf Among Us in erster Linie darum.
Telltales letztes Spiel, das hervorragende, mit so manchem „Spiel des Jahres“ Preis bedachte Walking Dead, erforderte nicht allzu viel Suspension of Disbelief – von dem ganzen „Zombie-Apokalypse" Ding einmal abgesehen, das wir, wenn wir ehrlich sind, schon eintausend Mal gesehen haben. The Wolf Among Us? Diese eigenartige Pille ist schwerer zu schlucken. Das episodenhafte Spiel ist in der Welt der Fables Comicserie angesiedelt, in der Märchencharaktere aus ihrer Heimat vertrieben wurden und nun in einer kleinen, versteckten Gemeinde in New York leben, und lässt Sie in die Rolle von Sheriff Bigby Wolf (der zuvor dafür berühmt war, die Häuser kleiner Schweinchen umzublasen) schlüpfen. Sie sind in bester Noir-Manier in Fabletown unterwegs einem charmanten Setting für ein düsteres, blutiges Abenteuer, in dessen Verlauf Sie auf viele Charaktere stoßen, die Sie kennen und lieben, auch wenn diese Ihnen in ihrem aktuellen Zustand vielleicht nicht auf den ersten Blick vertraut sein mögen.
Der emotionale Kern der Story ruht auf den Schultern von Bigby, dem Wolf aus dem Titel. Sie werden seine ruhige, langsame Südstaatenaussprache für den Mann, der versuchte, sich als alte Frau zu verkleiden, um ein Mädchen zu fressen, zunächst wahrscheinlich unpassend finden, aber früher oder später werden Sie sich daran gewöhnen, ja seine Sprechweise lieben. Er ist nicht mehr dieser böse Wolf – er hat sich sehr gebessert, ist ehrlicher und freundlicher. Sicher, sie können jeden Zeugen bedrohen, der Ihnen über den Weg läuft, und Sie können jeden anschnauben, der Sie schief ansieht, aber dadurch wird der Held um einiges weniger liebenswert. Er kann noch immer sehr gut kämpfen, wenn er muss – die Actionszenen sind viel besser als diejenigen in The Walking Dead und wirken viel stärker und gewalttätiger.
Aber obwohl viele Sagen aufgearbeitet werden wollen, ist die komplexe Welt nie erdrückend. Die erste Episode – sie trägt den Titel Faith/Glaube – bringt es fantastisch hin, die Spieler so weit zu informieren, dass sie verstehen, was vor sich geht, ohne ihnen das Gefühl zu geben, in Exposition ertränkt zu werden. Die Handlung und die Zusammenhänge werden mit einem Augenzwinkern vermittelt; den Fans der Fables Comicbücher wird vermittelt, was Sache ist, während alle Neueinsteiger so weit an der Hand geführt werden, bis sie in der Lage sind, die Spielwelt selbst zu erkunden. Dieses Gefühl, die Spielwelt selbst zu erkunden, wird durch das Gameplay unterstützt, das die Untersuchung von Tatorten und die Befragung von Zeugen in den Mittelpunkt rückt. Zugegeben, das Ganze ist simpel, aber es ist gut umgesetzt und funktioniert als Kriminaldrama im Stile von CSI wirklich gut (nur dass Sie hier die Morde an Märchencharakteren aufklären und mit Beauty und dem Beast interagieren, weshalb es doch ein wenig anders ist).
Die erste Episode von Telltales neuer Serie ist ein wirklich gelungener und spannender Einstieg in die erste Saison. Diese Serie hat durchaus das Potenzial die luftigen Höhen von The Walking Dead zu erreichen. Sie werden sich dabei wahrscheinlich nicht so niedergeschlagen fühlen wie während der Zombie-Apokalypse, aber dafür sind Story und Umsetzung wieder erstklassig, die visuelle Gestaltung ist schick und sexy und die Welt ist charmant genug, dass Sie sicherlich bis zum Happy End dabeibleiben wollen – sofern die weiteren Episoden halten, was die erste verspricht.
Hinweis: Eine endgültige Bewertung wird es erst geben, wenn alle Episoden der ersten Staffel erschienen sind.
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