Eine gute Detektivgeschichte (mystery story) sollte einen bis ganz zum Schluss im Ungewissen lassen. Sie sollte eine Lösung präsentieren, die den früheren Instinkten und Vermutungen des Spielers/Lesers zuwiderläuft, aber trotzdem Sinn ergibt. Murdered: Soul Suspect lässt Sie bis zum Ende im Dunkeln tappen, aber aus den falschen Gründen. Sie werden sich fragen, ob und wann sich Soul Suspect über Probleme wie uneinheitliches, zum Teil widersprüchliches Entdecken von Hinweisen, das irgendwie angeheftet wirkende Kampfsystem und den generellen Mangel an Feinschliff erheben wird, um das interessante Mysterium, das im Kern steckt, wirklich glänzen zu lassen. Nun, ich habe einen Spoiler für Sie: Das passiert nie.
Soul Suspects Schicksal ist eine Tragödie, weil es eine doch leidlich spannende Geschichte mit ein paar liebenswerten Charakteren erzählt. Protagonist Ronan O’Connor mit seinem scheinbar am Kopf festgeklebten Hut ist eine interessante Hauptfigur – und der Umstand, dass er bereits 30 Sekunden nach Spielstart den Löffel abgibt, hilft maßgeblich, das Ränkespiel so richtig in Gang zu bringen. Ronan ist ein ehemaliger Krimineller, der die Seiten wechselte und Polizist wurde. Er würde ja gerne seinen geisterhaften Zustand hinter sich lassen, um im Jenseits wieder mit seiner verstorbenen Frau zusammenzukommen, aber das kann er erst, wenn er herausgefunden hat, wer ihn (und zahlreiche weitere Bürger von Salem) getötet hat. Damit ihm diese Ermittlung leichter von der Hand geht, verfügt er über Geisterkräfte, die ihm ermöglichen, mit anderen Geistern zu sprechen, in die Körper von Lebenden zu schlüpfen, um deren Gedanken zu lesen, und in die Vergangenheit zurückzublicken, wenn er auf Geistern beseelte Gegenstände stößt. Das ist eine ziemlich interessante Prämisse, aber da er leider mit normalen Menschen nicht kommunizieren kann, sind weite Teile der Story reichlich einsam.
Zum Glück für Ronan (und den Spieler) wird schon früh ein Sidekick eingeführt, der dem Ganzen ein wenig Herz verleiht. Das Duo wird durch schiere Notwendigkeit zusammengeführt und die beiden helfen einander, wenn es ihnen gelegen kommt, aber letztlich hat jeder der beiden nur seine eigenen Interessen im Auge. Es ist der Beginn von etwas, das eine Freundschaft werden könnte, aber die widrigen Umstände sind, was das anbelangt, nicht gerade förderlich. Es ist keine beginnende Romanze, kein fast verwandtschaftliches Verhältnis und keine feste Freundschaft. Dieser eigenartigen Beziehung gebührt dennoch Lob, denn sie ist es, die Sie dazu bringen wird, das Geheimnis zu lüften, das Soul Suspect zugrundeliegt.
Das Gameplay von Soul Suspect besteht größtenteils im Untersuchen von Tatorten und anderen für die Klärung des Mysteriums wichtigen Plätzen, doch leider leidet es unter einigen großen Mängeln, die Ihre Ermittlungen erheblich beeinträchtigen werden. Zunächst einmal ähnelt die Suchen nach Hinweisen nur allzu oft der Suche nach der sprichwörtlichen Nadel im Heuhaufen; manche tauchen erst auf, nachdem andere gefunden wurden, was zur Folge hat, dass Sie ein bestimmtes Gebiet dutzende Male durchkämmen müssen. Das würde Sinn ergeben, wenn die ersten Hinweise, die man findet, für die nächsten unbedingt erforderlich wären, aber allzu oft ist es schlicht und ergreifend so, dass das Spiel dem Spieler nicht alle Hinweise auf einmal präsentieren möchte. Der unerfreuliche Nebeneffekt ist, dass Sie mehr als einmal den Fundort eines späteren Hinweises, der offensichtlich sein sollte, übersehen und die ganze Umgebung absuchen werden, weil er nicht von Anfang an markiert wurde.
Das größere Problem ist jedoch, dass die Aufklärung des Verbrechens nicht sehr interessant ist, da es nicht gerade viel aufzuklären gibt. Sie müssen nicht alle Hinweise finden, um Fortschritte zu machen (nur genügend, um die Lösung zu erraten). Noch schlimmer ist, dass Sie, wenn Sie durch ein Deduktionsminispiel Hinweise entschlüsseln müssen, um über Ronans weiteres Vorgehen zu entschlüsseln, so oft falsch raten können, wie Sie wollen. Eine Anzeige auf dem Bildschirm deutet an, dass Ihnen nur eine bestimmte Zahl von Versuchen zur Verfügung steht, doch diese Anzeige erreicht nie null und Ihr besseres oder schlechteres Abschneiden beim Entschlüsseln ist mit keinerlei Belohnungen oder strafen verknüpft. Das einzige, das ansatzweise Konsequenzen hat, sind die Fragen, die Ronan den verschiedenen Zeugen stellt: viele der Gespräche, die Sie führen werden, werden willkürlich enden, ehe Sie Gelegenheit hatten, jede mögliche Frage zu stellen, doch allem Anschein nach hat es keine Auswirkungen auf den weiteren Spielverlauf, welche Fragen Sie stellen und welche nicht.
Soul Suspect beinhaltet so etwas wie Kampf- und Stealth-Abschnitte, aber beide wirken so. als hätte man sie nachträglich angeheftet. In manchen der Gebäude, die Ronan erkundet, patrouillieren Dämonen, die in der Lage sind, in die Hölle zu verbannen, sollte er entdeckt und von ihnen angegriffen werden. Wenn es Ihnen jedoch gelingt, ein ganz in der Nähe befindliches Versteck zu finden, in das Sie sich teleportieren können, werden Sie dem tödlichen Blick entgehen. Wenn es Ihnen gelingt, sich an einen Dämonen heranzuschleichen, wird dieser durch einen schnellen Button Prompt (Anweisung einen bestimmten Button zu drücken) exekutiert – leider sind diese Interaktionen nicht mehr als ärgerliches Füllmaterial. Sie werden nie leichter oder schwieriger und da es bei den Kämpfen keine Nuancen gibt, sind sie nie wirklich lohnend.
Auch wenn sie sich mit dem mittelmäßigen Gameplay von Soul Suspect abfinden können, werden Sie frustriert und verärgert sein, wenn Sie sich zum 20. Mal verirren. Wenn sie sich an einem interessanten Ort wie einem Museum oder einer Polizeistation befinden, ist es leicht, sich zu merken, wo man hineingeht, herauskommt und wichtige Gegenstände findet. Wenn dem Schauplatz jedoch jede Persönlichkeit fehlt und alle Bereiche gleich aussehen (zum Beispiel ein tristes altes Herrenhaus oder Salems eintönige Straßen), wird das Fehlen klarer Grenzen zu einem Fluch. Da Ronan durch die meisten Wände gehen kann, mangelt es Soul Suspect oft an einem Werkzeug, das die richtige Richtung verdeutlicht, doch viel schlimmer ist, dass es im Spiel nicht einmal eine Karte gibt. Stellen Sie sich darauf ein, regelmäßig online nach Lösungen zu suchen.
Trotz offensichtlicher Gameplay-Schwächen ist Soul Suspect auf PS4 und Xbox One sehr attraktiv. Ronan, sein Sidekick, einige seiner regelmäßigeren Geister-Begleiter und ein paar seiner Cop-Kollegen sind sehr detailliert dargestellt: sie sind ausdrucksstark und gut animiert. Außerdem sind einige der geisterartigen visuellen Effekte fast schon überirdisch gut. Sie werden immer wieder davon beeindruckt sein, wie Ronans spektraler Umriss an jeder Wand sichtbar bleibt, durch die Sie wanderten. So großartig diese Elemente auch sind, sie haben alarmierende Probleme zur Folge.
Das Design unwichtiger NPCs ist wenig detailliert. Wenig Aufmerksamkeit wurde der Lippensynchronität (bei der englischen Sprachfassung) gewidmet – oft sind Bewegungen zu sehen, die überhaupt nichts mit den Worten zu tun haben, die man hört – und zahlreiche Charaktermodelle und Dialoge werden mehrmals verwendet. Dazu kommen zahlreiche Momente, in denen die Konversationsstimme von NPCs nicht mit dem Charaktermodell oder dem inneren Monolog entspricht – da ist ein verwirrendes Durcheinander vorprogrammiert. Es ist schwer zu sagen, was ärgerlicher ist: ein jung aussehender NPC mit der Stimme eines alten Menschen oder der Umstand, dass rund ein Dutzend Leute genau dieselben Gedanken haben. Es kommt der Moment, da Sie alle NPCs einfach ausblenden.
Viel schwieriger auszublenden sind die größeren Glitches, die sich bemerkbar machen, wobei mir vor allem zwei das Spielen besonders verleideten. Nach rund einer Stunde änderte sich das “Current Objective” (derzeitiges Ziel/derzeitige Aufgabe) im Pause-Menü nicht mehr. Es blieb für den Rest des Spiels dasselbe, weshalb ich gezwungen war, immer ganz genau aufzupassen, wenn eine neue Zielvorgabe (objective) am Bildschirm aufschien, um nicht in die Verlegenheit zu kommen, die Umgebung ganz ohne Hinweise/Vorgaben und somit planlos absuchen zu müssen. Regelmäßig fehlten Audio Cues (akustische Hinweise, zumeist Sprachausgabe), was zur Folge hatte, dass ich eine Nebenmission nicht zu ende bringen konnte, da während der Rede des NPC, der die wichtigen Informationen preisgibt sowohl Sprachausgabe als auch Untertitel nicht funktionierten, ich also keine Chance hatte, auch nur ansatzweise herauszubekommen, was er da plapperte.
Es ist wirklich schade, dass Murdered: Soul Suspect die Erwartungen nicht erfüllen kann. Es gibt einige interessante Charaktere und Handlungsstränge und es wird visuell einiges geboten (abhängig davon, wen oder was Sie ansehen), doch die Stärken des Spiels werden durch das sehr durchschnittliche Gameplay und die unterdurchschnittliche Produktion mehr oder weniger zunichte gemacht. Sie werden sich keinen Funken klüger fühlen, wenn Sie das Geheimnis von Soul Suspect gelüftet haben, und Sie werden sich von den matten Kämpfen nicht herausgefordert fühlen. Wahrscheinlich ist es gut, dass die meisten dieses Spiel schnell vergessen und sich anderen Dingen zuwenden werden.
PRO: Interessante Dynamik zwischen Ronan und seinem Sidekick; durch Collectibles wird unglaublich viel Vorgeschichte enthüllt; beeindruckende visuelle Effekte auf PS4 und Xbox One.
CONTRA: Es gibt keine Möglichkeit, bei der Lösung des Falles zu scheitern, die meisten Lösungen sind simpel und die Kämpfe wirken angeheftet; das Spiel leidet unter zahlreichen Bugs und einem Mangel an Feinschliff; da eine richtige Karte im Spiel fehlt, kann man sich leicht verirren.
Abschließende Bewertung
Spiel: 5,0
Spaßfaktor: 4,5
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