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Sang-Froid - Tales of Werewolves – Der Spaß und Spiele Test

 

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Artifice Studios eben veröffentlichtes Sang-Froid: Tales of Werewolves ist, aus Ermangelung eines besseren Ausdrucks, ein Action-Strategie-Rollenspiel, in dem es darum geht, eine kleine Gemeinschaft in der kanadischen Wildnis des 19. Jahrhunderts vor einfallenden Wolfkreaturen zu beschützen. Es ist sowohl faszinierend als auch ärgerlich. Hier erfahren Sie, warum dies so ist.

Sang-Froid mag zwar ursprünglich als Tower-Defense-Spiel begonnen haben, doch nun trägt es ein so völlig anderes Gewand, dass man nie im Leben auf diese Anfänge tippen würde. Es ähnelt den „Stiefel am Boden“ Tower Defense/Action-Rollenspielmischungen im Stile von Orcs Must Die und Sanctum, allerdings mit einer starken Kampf-ums-Überleben-Komponente. Sie spielen als einer von zwei bärtigen, sich ständig zankenden Brüdern (der stämmige bedeutet Schwierigkeitsstufe Normal, der dürre Schwierigkeitsstufe Hard), denen eigentlich nur Stöcke, Steine, Seile und ihre unbeabsichtigt modischen karierten Hemden zur Verfügung stehen, um ihre Familie und ihre Freunde vor einer scheinbar endlosen Invasion übernatürlicher Schrecken zu beschützen.

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Wenn man sich erfolgreich durch einen Level kämpft, fühlt man sich dabei eher verzweifelt und gestresst als auf verzeihliche Weise massenmörderisch. Ihnen stehen nur einige wenige Fallen zur Verfügung, die durch einmalige Aktivierung schon verbraucht werden. Es dauert rund zehn erschreckend lange Minuten, das Gewehr nachzuladen. Die meisten Feinde, denen Sie begegnen, verfügen über sehr hohen Widerstand gegen alle Waffen, die Sie mit sich führen. Die Besitztümer/Häuser, die Sie verteidigen müssen, sind in einem großen Gebiet verstreut, zwischen denen Sie mühsam und relativ langsam herumlaufen müssen. Wen sie über das nötige Geld verfügen, an das Sie nicht leicht herankommen werden, können Sie Seilrutschen erwerben, mit deren Hilfe Sie sich rasch fortbewegen können. Jede Falle, jede Plattform und jedes Lagerfeuer - kurz alles, was Sie platzieren, reduziert den erschreckend kleinen Geldbetrag, über den Sie verfügen, um sich bessere Ausrüstung kaufen zu können – wenn es Ihnen in Sang-Froid gelingt, $10 zusammenzukratzen, fühlen Sie sich schon wie ein König.

Wie gut Sie sich auch angesichts all dieser Widrigkeiten schlagen mögen, letztlich können Sie nur eines erreichen: Sie können bis zum Morgen ausharren, denn da ziehen sich die Monster zurück, um sich für die Angriffe der nächsten Nacht vorzubereiten. Während sie das tun, kaufen Sie Waffenupgrades, stellen neue Fallen und überlegen sich, falls Sie aufgelevelt haben, ob Sie Ihre Skill Points (Fähigkeitenpunkte) für Upgrades für den Nahkampf oder für das Gewehr mit der langen Nachladezeit oder die vielen verschiedenen Fallen ausgeben. Die Wahl fällt selten leicht und ist nur sehr selten offensichtlich.

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Meine Zähne taten richtig weh, weil ich sie so oft zusammenbeißen musste. Meine Stirn schmerzt, weil ich sie so oft runzelte. Wenigsten sind meine Beine nicht so steif wie üblich, wenn ich einige Zeit mit einem neuen Videospiel verbringe, da ich nach jedem überstandenen Level einen kleinen Beruhigungsspaziergang machen muss. Das liegt nicht daran, dass es so schwer wäre – es ist nur so erbarmungslos und unermüdlich. Es ist erbarmungslos, obwohl es gar nicht so viele Feinde auf Sie loslässt – es verteilt sie nur auf ein so großes Gebiet, dass Sie mit Ihrer begrenzten Ausdauer, ständig von einem Ort zum anderen hetzen müssen, nur um dort dann auf Gegner zu stoßen, die Sie nicht schnell und/oder leicht töten können.

Auf gewisse Weise können Sie bestehen, indem Sie einfach die Wölfe, Werwölfe, alten Geister in Wolfsgestalt und Irrlichter attackieren, die sie leicht erreichen oder zu sich locken können, ehe Sie die Holzgebäude zerstören, die Sie beschützen sollen, doch wenn Sie überleben möchten, müssen Sie einige ziemlich komplexe und riskante Strategien meistern, die Sie vor dem Start einer Mission auf einer Top-Down-Karte ersinnen und dann in der Mission in einer Third-Person-Perspektive in die Tat umsetzen. So ist zum Beispiel das Seilnetz die wirkungsvollste Falle. Sie hängen diese an einer Stelle auf, an der hoffentlich die meisten Wölfe vorbeikommen, doch Sie müssen sie aktivieren, indem Sie einen Schuss darauf abfeuern, was bedeutet, dass Sie stets in ihrer Nähe bleiben und genau den richtigen Moment erwischen müssen, um eine möglichst große Zahl von Monstern auf einmal einfangen zu können. Wenn Sie zu früh schießen, fangen vielleicht nur eines oder zwei, wenn Sie zu spät schießen, sind womöglich schon alle vorbeigelaufen und knabbern freudig an Ihrem Gesicht.

Dazu kommt noch, dass das Geräusch des Schusses aller Wahrscheinlichkeit nach weitere in der Nähe befindliche Wölfe anlocken wird, weshalb die Chance gut stehen, dass Sie überwältigt werden. Sie sind ziemlich geschickt gegen ein oder zwei Feinde, aber wenn Sie es mit vier oder mehr Kreaturen zu tun bekommen, wird es für Sie nicht gut ausgehen. (Selbst wenn Sie wider Erwarten überleben, bleibt die schreckliche Erkenntnis, dass Sie sofort ans andere Ende der Karte eilen und dort dasselbe nochmals leisten müssen, ehe Sie sich ausruhen können.)

Andererseits ist es unbedingt erforderlich, die Feinde zu zwingen, Sie zu verfolgen, um sie von den Gebäuden wegzulocken, denn wenn eines davon zerstört wird, haben Sie den Level verloren. Deshalb gibt es Fähigkeiten die darauf ausgelegt sind, die Aufmerksamkeit des Rudels zu erregen. Eine davon hat mit Magie der indianischen Ureinwohner zu tun, die die Richtung des Windes verändern kann, in der Hoffnung, dass die pelzigen Quälgeister den anscheinend pikanten Duft Ihres verschwitzten Holzfällerhemds aufschnappen. Falls dies funktioniert, müssen Sie dann eine tödliche Horde von Wölfen auf der Karte herumführen und versuchen, diese in eine Stachelfalle zu locken oder, falls es sich um Exemplare der dämonischen Art handelt, in den vorübergehenden Radius eines Schreins, der heilige Energie ausstrahlt. Ja, Sang-Froid ist ein ziemlich willkürliche Wundertüte des nordamerikanischen Mystizismus, aber andererseits ist es ein Spiel über Typen, die im Kanada des 19. Jahrhunderts Werwölfe töten, weshalb ich gerne bereit bin, jedes Hilfsmittel einzusetzen.

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Das bereits erwähnte Setting ist durchaus reizvoll, denn es bietet eine vortechnologische Ästhetik, die auf Schnee, Feuer und Gesichtsbehaarung setzt, wozu ein ziemlich guter, folkiger Soundtrack kommt. Der Plot bedient sich ausgiebig im Fundus der Horrormythologie: Faust, Darcula, der Wolfmensch und andere tragen zu etwas bei, das sehr viel Spaß machen würde, wäre es nicht so verdammt schlecht gesprochen. Leider gibt es keine Option, die Stimmen abzuschalten und sich mit den Untertiteln zu begnügen, sonst hätte ich diese sofort genützt. So musste ich mich damit begnügen, die filmischen Zwischensequenzen bald komplett zu überspringen, zum Teil, weil man sie einfach nicht anhören kann, zum Teil aber auch deshalb, weil es regelmäßig vorkommt, dass man einen Level nicht schafft und nochmals von vorne beginnen muss, was bedeutet, dass man auch das Video wieder zu sehen bekommt. Letzteres ist besonders ärgerlich, da sich ein fortlaufendes Tutorial durch einen großen Teil des Spiels zieht, das einen mit neuen Typen von Fallen bekannt macht, und das Spiel sich nicht merkt, dass man diese Lektionen schon mindestens einmal gehört hat.

Das Tutorial-Element ist eines der größten Probleme des Spiels. Es bringt viel zu viel Zeit damit zu, sich selbst vorzustellen und lässt den Spielern viel zu wenig Zeit, ungehindert herumzuexperimentieren. Die Balance scheint auch nicht wirklich gelungen: Einige Levels sind ein Kinderspiel, während andere so schwierig sind, dass ich frustriert aufschrie, als ich zum fünften Mal scheiterte. Es kann mitunter zu einem Test des Durchhaltevermögens werden, doch das Verlangen, herauszufinden, womit es mich als nächstes konfrontieren würde, und das Bedürfnis, so viel Spielgeld zusammenzukratzen, dass ich mir die kleine Zahl an essentiellen Upgrades leisten kann, sorgten dafür dass ich weiterspielte. Im Grunde ist es ein gut durchdachtes Konzept in einem anregenden Setting, doch das Spiel hat so viele rauhe Kanten, dass es ermüdend werden kann, zu den guten Dingen vorzustoßen. Außerdem sieht das Spiel so aus, als wäre es mit einem sehr beschränkten Budget gemacht worden – das ist in Ordnung, doch in Verbindung mit den nervigen Sprechern kann diese Pfennigfuchserei mitunter vom Gameplay ablenken.

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Im Grunde war ich von Sang-Froid eher beeindruckt, als dass es mir gefiel. Ich bin jedoch sehr froh, es gespielt zu haben. Besonders beeindruckt bin ich davon, dass es gelungen ist eine erfrischende, fast dekonstruktivistische Version einer Spielmischung zu sehen, die in letzter Zeit mit Orcs Must Die, Sanctum und Iron Brigade mehrmals erfolgreich umgesetzt wurde. Sang-Froid spult das für gewöhnlich punkteverrückte Cartoon-Chaos zurück und bietet stattdessen spannendes Survival, das wohlüberlegte Entscheidungen erfordert. Wenn Sie die Probleme bei der Präsentation ertragen können, erhalten Sie ein Spiel, das jeden belohnt, der durchdachter Strategie den Vorzug vor willkürlicher Zerstörung gibt.

Es ist sehr verlockend, leichthin zu sagen „Eine Fortsetzung wird die Probleme ausbügeln“, vor allem wenn man bedenkt, dass dieses Spiel sich mutig „Tome 1“ (Band 1) nennt, aber verdammt, es ist jetzt erhältlich und es ist clever und anders, auch wenn es nicht rundum gelungen ist. Ziehen Sie sich Ihr bestes Hipster-Hemd der vergangenen Saison an und finden Sie heraus, ob Sie genügend Wölfe fangen können, um $10 zu verdienen.

Sang-Froid ist bereits erhältlich.

PRO: Interessantes Konzept; gelungener Soundtrack; ein wenig anders.

CONTRA: Nervende Sprecher; man merkt der Grafik an, dass das Spiel mit geringem Budget gemacht wurde; unausgewogene Balance.

Abschließende Bewertung

Spiel: 7,25

Spaßfaktor: 6,75

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