Aus Russland mit Liebe. Und mit viel Gewalt.
Der Zweite Weltkrieg ist zweifellos eines der dramatischsten Kapitel in der bisherigen Geschichte der Menschheit und es ist leicht zu erkennen, warum dieser Konflikt schon länger das Futter für billige, emotional manipulative Storys von Heldenmut und Opferbereitschaft ist. Leider tut Company of Heroes 2 so gut wie nichts, um dieses weit verbreitete Stereotyp zu zerstreuen, denn es setzt ganz auf überdrehte und unbeholfene Themen, die in einer schlecht geschriebenen und von Klischees triefenden Exposition dargelegt werden, was durch die schlechten Leistungen der Sprecher noch verschlimmert wird. Zum Glück entschädigt Company of Heroes 2 für die tölpelhafte Story mit exzellentem taktischem Spiel, das die echte Verzweiflung der sowjetischen Truppen, die die größte Invasion in der Geschichte des Krieges zurückschlugen, jederzeit fühlbar macht.
Die Macher verzichten auf den häufig anzutreffenden Nachkriegsruhm, mit dem die amerikanischen Kriegserinnerungen zumeist aufwarten, und erzählen die Geschichte von CoH 2 in Form von Rückblenden, in deren Mittelpunkt der frühere Leutnant Lev Isakovich steht, der in Stalins Gulags verhört wird. Selbst seine militärischen Erfolge werden bis ins kleinste Detail durchleuchtet, denn der Mann, der ihn verhört, hat Schwierigkeiten, die Quelle von Levs wachsendem Zynismus gegenüber der kommunistischen Partei und ihrer Agenda zu finden. Wenn es einen Unterschied zwischen dieser und den meisten anderen Darstellungen des Zweiten Weltkriegs in Videospielen gibt, dann liegt er in der Präsentation der Story. CoH 2 ist meilenweit von der Pseudo-Propaganda entfernt, die in so vielen Spielen und Filmen vorherrscht. Wenn man davon ausgeht, dass es eine These hat, dann lautet sie, dass der Krieg viel schrecklicher ist, als es sich alle, die ihn nicht selbst erlebt haben, vorstellen und verstehen können. Der Krieg ist nicht nobel und er ist nicht glorreich – ein Standpunkt, der durch viele der Mechaniken des Spiels noch verstärkt wird.
Im Unterschied zu den meisten anderen Echtzeitstrategiespielen vermeidet das Gameplay von CoH 2 zumeist den typischen „Basenbau“. Sie verbringen stattdessen den größten Teil der Zeit direkt an der Front, wo Sie Ihre Einheiten vorsichtig von Deckung zu Deckung manövrieren müssen, um die technologisch überlegenen Deutschen in Hinterhalte zu locken oder ihnen in den Rücken zu fallen. In diesen Gefechten ermutigt das Spiel Sie aktiv dazu, mit den Leben Ihrer Soldaten rücksichtslos umzugehen – Sie sollen sie verheizen, wie es einst Stalin tat. Mit Ausnahme einer relativ kurzen Abkühlphase (mit Timer) stehen Ihnen immer weitere Soldaten zur Verfügung, bereit, zum Ruhme und zum Wohle des Vaterlandes geopfert zu werden. Diese Erfahrung ist mehr als ein wenig aufrüttelnd und beunruhigend, was noch durch die Erkenntnis verstärkt wird, dass die hier gezeigten Ereignisse von der historischen Realität nicht allzu weit entfernt sind.
Das ganze Spiel hindurch bleibt ein Thema beherrschend – die pure Verzweiflung und absolute Entschlossenheit der Roten Armee, den Vorstoß der Wehrmacht zu stoppen. In jeder kriegerischen Begegnung, in jeder Mission wird die überlegene militärische Macht des Dritten Reiches deutlich gemacht. Es können zum Beispiel die meisten deutschen Geräte nur durch andere deutsche Waffen besiegt werden. Wenn ein Panzer ins Gefecht eingreift, besteht Ihre beste Chance oft darin, ihn mit einigen Soldaten abzulenken, während Sie das Schlachtfeld nach panzerbrechenden Waffen oder großen Mengen Sprengstoff absuchen, die von feindlicher Infanterie zurückgelassen wurden. Waffen zusammenzusammeln und mit dieser improvisierten Ausrüstung und zahlenmäßiger Überlegenheit feindliche Positionen zu stürmen, ist oft eine erfolgversprechende Taktik.
CoH 2 spielt großteils auf den gefrorenen Böden des russischen Nordens und setzt diese Umgebung exzellent ein, um sein brutales taktisches Spiel um eine zusätzliche Dimension zu erweitern. Soldaten können zum Beispiel Erfrierungen davontragen. Andere Umgebungseffekte, die aus den vorangegangenen Teilen der Serie bekannt sind, darunter die Möglichkeit, in Kratern in Deckung zu gehen, oder die strategische Zerstörung von Gebäuden, um feindliche Truppen zu töten oder einzuschließen, sind auch diesmal vorhanden und ergeben in ihrer Gesamtheit eine anziehende Variation der klassischen Echtzeitstrategie-Formel. Ein kluger Kommandant sollte wenig Probleme haben, seine Umgebung so zu verändern, dass sich neue taktische Möglichkeiten ergeben.
Leider haben all diese tollen Umgebungsoptionen auch einen Preis, nämlich das Nutzerinterface. Das unterste Drittel des Bildschirms ist, wie gewöhnlich, ganz den fixen Größen des Genres vorbehalten – Anzeigen der Menge von Ressourcen, Minikarten, Fähigkeiten der Einheiten und andere Optionen finden Sie dort. Das oberste Fünftel dient dazu, alle Einheiten anzuzeigen, die Sie Ihnen auf dem Schlachtfeld zur Verfügung stehen. Das bedeutet, dass für das Spiel selbst gerade einmal rund 50% des Bildschirms zur Verfügung stehen. Da also Platz auf dem Bildschirm sehr wertvoll ist, dachten die Designer von CoH 2 offensichtlich, dass punktierte Linien, die die Bewegungen von Einheiten anzeigen, gestrichelte Kreise für Angriffsradien, winzige Punkte, die potenzielle Positionen für Einheiten anzeigen, Schilde, die über den Deckungsstatus Auskunft geben, Icons für Waffen und Vorräte auf der Karte, etc. nie zu „Informations-Overload“ führen würden. Dieses Problem wird dadurch verschärft, dass das Spiel sehr schnell abläuft, wodurch fast ständiges Mikromanagement jeder einzelnen Einheit und ihrer Ausrüstung auf dem Schlachtfeld notwendig wird. Inmitten dieses Chaos kann man sehr leicht die Übersicht über seine Ressourcen und Einheiten verlieren.
Das Kampagnen-Gameplay ist sehr gut auf den Multiplayer übertragbar, denn die Strategien, die erforderlich sind, um Territorium und Position in die Balance zu bringen, die Sie im Solospiel erlernen, werden zumeist auch im Spiel gegen menschliche Gegner funktionieren. Herausforderungen bei der Ausführung, wie man sie in einigen der beliebteren modernen Strategiespiele und MOBAs findet, sind hier nicht besonders groß. Der Sieg hängt fast immer davon ab, ob es Ihnen gelingt, raffinierter zu denken als Ihre Gegner. Diese Konzentration auf Strategie und Taktik ist erfrischend und stellt CoH 2 in eine Reihe mit Spielen wie Civilization, allerdings mit einer deutlichen Betonung der Brutalität und der verzweifelten Atmosphäre dieser bestimmten Epoche der Weltgeschichte.
Alles in allem ist Company of Heroes 2 ein würdiger, wenn auch nicht exzellenter Nachfolger der bisherigen Titel der Serie. Company of Heroes 2 ist nicht ganz so innovativ wie das Original, aber es macht wenig falsch, wenn man einmal davon absieht, dass es sich mit einigem Überflüssigen belastet und in Sachen Story nicht gerade Bäume ausreißt. Rein mechanisch findet sich hier genug wiederverwertetes Material, um Fans des Spiels aus dem Jahre 2006 zufriedenzustellen, während daneben genügend neue Features hinzukommen, um auch einige neue Spieler anzulocken. Es wird wahrscheinlich eines der besten Strategiespiele des Jahres sein, auch wenn es nicht ganz das Zeug zum Allzeitklassiker hat.
PRO: Mechaniken, die die Umwelt einbeziehen; viel Liebe zum Detail; erfrischende Variation des typischen WWII-Gameplays.
CONTRA: Überladenes User Interface; klischeebeladene, nicht gerade gelungene Story; unglückliche Wahl der Sprecher.
Abschließende Bewertung
Spiel: 8,25
Spaßfaktor: 7,50
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