Wie weit würden Sie gehen, um jemanden zu retten, den Sie lieben? Dies sind die quälenden Worte, die Sie am Beginn von Quantic Dreams Heavy Rain erwarten und während des gesamten Spiels präsent bleiben. Diese Frage ist an Ethan Mars gerichtet, dessen Sohn Shaun vermisst wird. Er muss sich den Prüfungen stellen, die sich der Origami Killer für ihn ausgedacht hat, wenn er seinen Sohn je wiedersehen will.
Sie schlüpfen im Laufe des Spiels auch in drei andere Rollen, aber Ethans Handlungsstrang ist der mit Abstand intensivste und spannendste, denn für ihn steht am meisten auf dem Spiel: das Leben seines Sohnes. Ethan muss Prüfungen bestehen, um Hinweise zu erhalten, wo sein Sohn gefangengehalten wird. Ethan muss zum Beispiel auf der falschen Straßenseite fahren, durch Glasscherben kriechen oder sich entscheiden, ob er einen Mann tötet oder selber ein Fläschchen Gift trinkt – all das, um seinen Sohn zu finden. Aber eine dieser Prüfungen blieb mir wesentlich deutlicher in Erinnerung als alle anderen, und zwar die Echsenprüfung, bei der Ethan den Befehl erhält das oberste Glied eines seiner Finger abzuschneiden.
Als ich vor diese Wahl gestellt wurde, fielen mir sofort die Worte vom Beginn des Spiels wieder ein. Wäre ich Ethan, würde ich mir meinen Finger abschneiden, um meinem verschwundenen Sohn einen Schritt näher zu kommen? Natürlich würde ich das, weshalb ich nicht eine Sekunde zögerte. Ich wusste sofort, was passieren würde: Ich würde Ethans Finger abschneiden. Mir war jedoch nicht bewusst, wie schmerzhaft und mühsam es sein würde, dies zu tun. Dies ist eine Szene, in der QTEs die Qualen verstärkten. Die hektische Musik setzt ein, sobald Sie mit dem konfrontiert werden, was in Ethans Kopf vor sich geht. Ich wusste nur , dass ich den Finger abschneiden musste, aber ich musste da auch klug anstellen. Ich fand das Mittel zu Desinfektion, nahm die Säge und machte mich an die Arbeit.
Als ich jedoch die Säge Richtung Finger führte, war ich angespannt und zitterte. Ethan atmet tief ein, als Sie zur ersten Schnittbewegung ansetzen. Und während das Sägeblatt die Haut durchstößt, schreit Ethan so überraschend und von Schmerz gebeutelt auf, dass ich nur denken konnte: „Müsste ich das doch bloß nicht tun.“ Aber wenn es dabei hilft, Shaun zu retten, dann muss ich die Qual ertragen, mitanzusehen, wie jemand einen Finger verliert, auch wenn es nur einer aus Pixeln ist. Ethan windet sich nun weinend am Boden, aber ich muss weitermachen. Ich zucke zusammen, während ich mit der Säge noch einmal andrücke und den Finger endgültig von der Hand trenne. Es wird nicht leichter, Ethan zu beobachten, aber diese Szene bringt perfekt zum Ausdruck, worum es in diesem Spiel geht: Liebe und Opfer.
Es fällt mir noch immer schwer, mir diese Szene anzusehen.Ich möchte mich jedes Mal abwenden und die Augen schließen. Aber genau deshalb ist sie erfolgreich: Es sollte nicht einfach fallen, einem Man dabei zuzusehen, wie er sich einen Finger abschneidet, vor allem wenn man selbst die Aktion steuert. Ethans Opfer ist mir stets in Erinnerung geblieben, seit ich Heavy Rain zum ersten Mal spielte, weil sie so eindrucksvoll ist und nicht nur für Hochspannung sorgt, sondern auch dazu bringt, wirklich mit einem fiktiven Charakter mitzufühlen. Während der gesamten Szene dachte ich nur daran, wie viel Schmerz ich ertragen müsste, würde ich meinen eigenen Finger abschneiden. Aber irgendetwas in meinem Hinterkopf sagte mir, dass ich es tun würde, hinge das Leben meines künftigen Kindes davon ab.
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