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Jay-Z: 4:44 (Albumkritik)

 

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Jay-Z: 4:44

 

 

In den 80ern und 90ern wurden Rap-Alben einfach veröffentlicht. Es spielte keine Rolle, wie wichtig und erfolgreich der Künstler war, es war einfach nur ein weiteres Album und nur sehr selten ein kulturelles Großereignis, das dazu führte, dass die Leute in der Nacht aufblieben und darauf warteten, jede Textzeile zu analysieren. Wie sehr sich Jay-Z wünschen muss, es wäre erst 1996, das Jahr, in dem er Reasonable Doubt veröffentlichte, ohne dass das Gewicht der ganzen Welt auf seinen Schultern lastete. Anno 2017 kann kein Rapper ein Album in so einem Vakuum veröffentlichen – und im Falle von Jay-Zs 4:44 ist ganz besondere Aufmerksamkeit garantiert.

 

Das liegt nicht nur daran, dass der Rapper selbst so bekannt ist, sondern vor allem auch daran, dass dies sein erstes Album seit der Veröffentlichung von Beyoncés Lemonade ist, einem ambitionierten Konzeptalbum, dessen wunderschön zielgerichteter Zorn öffentlich machte, dass es um ihre Ehe mit Jay-Z nicht zum Besten bestellt war. Sie zog ob seiner Untreue und seines Wankelmuts über ihn her und entrüstete sich über “Becky with the good hair”.

 

Verdient es ein Ehemann und Vater, dass sein Privatleben so schonungslos offengelegt wird? Man könnte argumentieren, dass er sich das selbst eingebrockt hat – nicht nur mit seinen Handlungen, sondern auch mit seiner Überheblichkeit. Schließlich ist er ein MC, dessen letzte Alben über weite Strecken enttäuschend und mit leidigen Anspielungen auf seine traumhafte Ehe gewürzt waren. Er wurde nicht müde, uns darauf hinzuweisen, dass er “the hottest chick in the game wearin’ my chain” hat. Wenn man viele Takte darauf verwendet, der Öffentlichkeit zu sagen, dass alles rosig ist, darf man sich nicht wundern, wenn die eigene Ehefrau öffentlich darauf hinweist, dass nicht alles bestens ist.

 

Um fair zu Jay-Z zu sein, er thematisiert die Spekulationen gleich auf „Kill Jay Z“, dem ersten Track von 4:44. Teils Schuldeingeständnis, teils Abschlachten seines Es, ist es eine erfrischend ehrliche Sezierung seines eigenen Versagens als Mann. Er sagt sich selbst, dass er mehr weinen und seine sanftere Seite zeigen muss und dass er dies für seine Tochter Blue tun muss. “You almost went Eric Benet / Let the baddest girl in the world get away”, reimt er und spielt damit auf den Soulsänger an, von dem sich Halle Berry 2005 scheiden ließ. Er entschließt sich, dass Ehrlichkeit die beste Vorgehensweise ist und fügt deshalb auch kaum verschleierte Seitenhiebe auf Future und Kanye West ein. Es scheint, als sollte Jay-Zs Kampf mit seinem eigenen Ego kein KO in der ersten Runde werden.

 

Natürlich interessieren sich viele vor allem für Texte über die Lage der Dinge in Chez Knowles-Carter, doch die Musik sollte nicht ignoriert werden. Klanglich ist 4:44 eine konservative Angelegenheit, denn sein langjähriger Mitstreiter No ID entschied sich für relativ leicht erkennbare Samples (Stevie Wonder, Nina Simone, Sister Nancys oft verwendetes „Bam Bam“); man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass er alles versuchte, um Jay-Zs Beichte nicht in die Quere zu kommen.

 

Wenn der Titeltrack beginnt und wie ein Stück klingt, dass bei einer Session von Kanye West übrigblieb, fällt es schwer, nicht an „Otis“ zu denken, für den die beiden 2011 zusammenarbeiteten. Der Song ist ein übernächtigter Liebesbrief an seine Ehefrau, in dem er mehrmals “I apologise” sagt. „Family Feud“, der nächste Track, beginnt damit, dass er zur Rap-Bruderschaft spricht, und zwar zu den alten wie neuen Mitgliedern, aber dann kehrt er Kernpunkt des Albums zurück: “I’ll fuck up a good thing if you let me / Let me alone Becky.”

 

Aber was wird jenen Rap-Fans geboten, die sich nicht für Jay-Zs Privatleben interessieren? Um ehrlich zu sein, nicht viel. Es ist ein sympathisches Album für die Rucksack-Rap-Gemeinde und vermeidet jene Art von Clubhymne, die den Vibe stören könnte. Und trotz der ganzen Selbstanalyse schmeckt es nach kommerzieller Notwendigkeit. Lemonade stützte die Tidal Streaming-Plattform, deren Miteigentümer Jay-Z ist, und 4:44 wurde fast sicher auch produziert, um ihr neue Abonnenten zu sichern. Wenn man seine Ehefrau um Vergebung bitten möchte, macht es sich anscheinend bezahlt, dies möglichst öffentlich zu tun.

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