Der Sound sommerlicher Grillabende.
George Ezra: Staying at Tamara's (Columbia)
Selbst nach den Maßstäben wirklich uncooler Musik ist George Ezra nicht cool. Es gab Zeiten, da benötigte ein Summer Jam nur einen Gitarre spielenden Mann mit Hut, der eine gewisse Ahnung von Ska hat. Diese simplen Zeiten sind vorüber, denn der Sound des Sommers ist nun Selbsthass begleitet von verführerischem Dancehall. Paolo Nutini ist in der Wildnis. Sogar Olly Murs singt nun Sex Jams. Das macht Ezras zweites Album zu einem totalen Anachronismus – und damit potenziell charmanter: Bläser rülpsen, Hände klatschen, Refrains brodeln vor Gutmütigkeit.
Man kann leicht vergessen, dass Ezras 2014 erschienenes Debüt Wanted on Voyage sich fast so gut verkaufte wie die damaligen Werke wesentlich mehr in der Öffentlichkeit stehender Künstler wie Ed Sheeran und Sam Smith. Auf Staying at Tamara’s folgt er dem Pfad, den Sheeran zwischen x und ÷ ausgetreten hat und verzichtet auf die faszinierende Düsternis seiner Musik, um uns mit fast unablässiger positiver Einstellung zu erfreuen. Das könnte zynisch erscheinen, glänzte Zynismus auf diesem Album nicht durch vollständige Abwesenheit, denn es hat sich stattdessen die noble Aufgabe gestellt, in unsicheren Zeiten Freude in die Welt zu bringen und den Ängstlichen klar zu machen, dass es in Ordnung ist, keine Nachrichten mehr zu verfolgen, wenn diese ihr Nervenkostüm zu sehr strapazieren.
Da das Beängstigende (wie das Stehen auf “an island in an ocean full of change” in „Pretty Shining People“) an die Seitenlinie verbannt wurde, konzentriert sich Ezra auf die guten Dinge im Leben: Urlaub (das hinterhältig eingängige „Shotgun“), Träume („Get Away“) und überwältigende Leidenschaft. Das würde eine Überdosis von Zuckersüßem bedeuten, wären da nicht zwei Dinge: Zunächst einmal tauscht Ezra gegen Ende des Albums idyllische, an Mumfords erinnernde Euphorie gegen ein paar düsterere Songs, darunter „Hold My Girl“ (ziemlich offensichtlich von The Nationals' „I Need My Girl“ inspiriert), „Only a Human“ (eine nachdenkliche Piano-Ballade, die an Lordes „Liability“ erinnert) und das Highlight „Saviour“, ein paranoides Gewitter mit Nashville-Einschlag.
Das Zweite, was Staying at Tamara’s rettet, ist, dass es entwaffnend gefällig ist. Mit seinem optimistischen Bariton verfügt Ezra über die knabenhafte Würde eines jungen Pastors; seine Texte mögen zwar kunstlos sein, aber seine Hooks bleiben in Erinnerung. Dies sind Songs, die dazu bestimmt sind, Soundtrack für Supermarkt-Werbespots zu sein, die die geselligen Tugenden des Grillens preisen. Sie halten einer genaueren Überprüfung ungefähr so gut stand wie eine billige Wurst, aber sie rutschen genauso leicht hinunter.
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