Mélissa Laveaux: Radio Siwèl (No Format)
Haitis turbulente, oft sehr unglückliche und brutale Geschichte ist reich an exzellenter Musik, die leider im Vergleich zu ihren karibischen Nachbarn zu wenig bekannt ist. Mélissa Laveaux, die als Kind haitianischer Eltern in Ottawa geboren wurde, spielt weder die aufwändige orchestrale Musik namens Compas noch den „rootsy“, an Schlagzeug reichen Stil von Bands wie Boukman Eksperyans. Auf ihren vorherigen beiden Alben mischte sie folkartige Nummern mit Indie-Rock und nahm sogar eine Coverversion von Eartha Kitts „I Want to Be Evil“ auf.
Hier widmet sie sich ihres haitianischen Erbes und überarbeitet Creole-Folksongs, die sich mit dem launischen Pantheon der Voodoo-Götter befassen, und Nummern, die von solchen Vorgängern wie Martha Jean-Claude berühmt gemacht wurden, die (dezent, aber gefährlich) gegen die Besetzung Haitis durch die USA zwischen 1915 und 1934 protestierte. Doch das Album hört sich gar nicht nach Folk an. Laveaux’ spitze elektrische Gitarre drängt stets in den Vordergrund, unterstützt von Drew Gonsalves von der beliebten Soca-Band Kobo Town, während die französischen Produzenten Albert eine eklektische Begleitmusik beisteuern, die von den Trip-Hop-Grooves von „Nan Fon Bwa“ über den Pop mit Pariser Einschlag von „Totalito“ bis hin zur wütend verzerrten Gitarre von „Nibo“ reicht. Darüber tanzt, jauchzt und schmeichelt Laveaux’ Gesang in freudiger, eigenwilliger Weise. Man kann leicht vergessen, dass hier viel protestiert wird: „Jolibwa“, Laveaux' einzige Originalkomposition auf diesem Album, feiert einen ermordeten Journalisten. Ein verführerisches, originelles Werk.
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