The Lemon Twigs: Go to School (4AD)
Viele lachten, als diese beiden auf Long Island beheimateten Teenager, die bis zum Stimmbruch als Kinderschauspieler im Film und auf der Bühne einige Achtungserfolge hatten, 2016 als musikalisches Duo auf der Bildfläche erschienen. Ihre grellen Jacken und Vokuhilas, die an die unschönen Aspekte des Soft-Rock der 1970er erinnern, ließen sie wie Charaktere aus einer bisher nicht bekannten Folge von That 70s Show erscheinen. Doch zur allgemeinen Überraschung bewies ihr gefeiertes Debütalbum Do Hollywood, dass diese eigenwilligen Hipsters hervorragende Songwriter sind.
Zwei Jahre später gehen die Brüder Michael und Brian D’Addario (nun 19 und 21) mit dem Nachfolger in Sachen Verrücktheit noch deutlich weiter. Go to School ist theatralischer und ausgefallener, denn die beiden besinnen sich ihrer Broadway-Wurzeln, um uns mit einem Werk zu erfreuen, dass man am ehesten als Konzeptalbum-trifft-Rock-Musical beschreiben kann. Die Handlung dreht sich um Shane, einen Schimpansen, der von seinen Eltern – auf dem Album „gespielt“ von ihrem musikalischen Helden Todd Rundgren und ihrer Mutter Susan Hall, die auch schon auf dem Debüt zu hören war - so erzogen wurde, dass er sich für einen Menschen hält. Rundgrens Something/Anything? ist nach wie vor einer der wichtigsten Einflüsse, und die Streicherarrangements auf dem albernen „The Student Becomes the Teacher“ könnten von den Beatles ausgeborgt sein, aber die hektische Energie und die groteske Manie erinnern an die frühen Sparks.
In gewisser Weise ist Go to School ein authentisch und mit Liebe reproduziertes Potpourri aus dem Jahr 1973 oder 1974, aber es fällt schwer, die Ambition, die Effekthascherei und die beachtliche Bandbreite an Einflüssen – von Glam über Music Hall und Stephen Sondheim bis hin zu Oklahoma! - nicht zu bewundern. Die Songs sind Mini-Dramen, die Bullying und Gewalt in der Schule nutzen, um eine mehr oder weniger verdeckte Parabel für frustrierende, gespaltene Zeiten zu kreieren. „Lonely“ ist eine große Ballade über Zurückweisung und Identität. „The Fire“, eine Country-Glam-Nummer, die das Herzstück des Albums bildet, schildert, wie der rachsüchtige Schimpanse die Schule in Brand steckt und dabei versehentlich 100 Menschen tötet. Der Song ist auf seltsame Weise rührend. “I saw Shane, and everyone was pushing him / And you could really feel his pain.” „The Bully“ ist ein leicht zähneklappernder Bossa nova, doch „Born Wrong/Heart Song“ und „If You Give Me Enough“ sind entzückend und erinnern an die unschuldige, melancholische Schönheit der Beach-Boys-Songs „In My Room“ oder, ironischerweise, „Be True to Your School“.
Mehr kleine Wunder dieser Art wären schön gewesen: zu viele der 15 Songs sind Glam-Ragtime-Vaudeville-Rocker. Dennoch fällt es schwer, nicht zu jubeln, wenn der so lange leidende Antiheld in „This Is My Tree“ in sein endlich in seinen angestammten Lebensraum zurückkehrt.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen