Carrie Underwood: Cry Pretty (Capitol Nashville)
Nach sechs Alben wirkt Carrie Underwood mitunter weniger wie eine Sängerin, sondern eher wie eine zur Waffe gemachte Bekundung der kommerziellen Macht der modernen Countrymusik. Selbst das Werbematerial ihres Labels widmet Statistiken – Zahl der verkauften Alben, gewonnene Preise, Zahl der Streams – mehr Raum als ihrer Musik. Und das ist ziemlich weise, denn Cry Pretty ist um nichts interessanter als die Malls und verrückt programmierten Radiostationen,, von denen es zu Tode gespielt werden wird. Das große “Statement” dieses Albums ist The Bullet, ein Song, den Underwood allem Anschein nach schon für mehrere Alben in Betracht gezogen und nun als Reaktion auf den Schusswaffen-Anschlag mit vielen Toten im vergangenen Jahr in Las Vegas endlich verwendet hat.
Der Spannungsaufbau lässt eine vernichtende Kritik an der US-amerikanischen Schusswaffenkultur erwarten, aber man wird mit einer rührseligen Schilderung des Kummers von Familien abgespeist, die einen geliebten Menschen bei einer Schießerei verloren haben. “You can blame it on hate or blame it on guns“, singt Underwood auf eine “who really knows how people end up dead with bullets in them?” Art. „Ghosts on the Stereo“ – hier werden “Hank, Haggard and Jones” erwähnt – ist die obligatorische Verneigung vor musikalischen Vorfahren, auch wenn die Verbindung zu ihnen nur mehr sehr schwach ist. Cry Pretty ist ein Album voller Power-Balladen und – etwa mit „Drinking Alone“ und „End Up With You“ – Anleihen bei Pop-R&B. Das Resultat ist nicht fürchterlich, aber es wirkt wi etwas, das man auch ohne menschliche Mitwirkung hätte produzieren können; es ist ganz blendender Glanz, versetzt mit genau der richtigen Dosis von Traurigkeit, um maximale Wirkung zu erzielen. Man nehme 75% Erbauung, füge 20% Melancholie hinzu und würze das Ganze mit 5% nicht wirklich umstrittener Kontroverse und voilà: Cry Pretty.
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