Lonnie Holley: MITH (Jagjaguwar)
Der in Alabama geborene Außenseiter-Künstler Lonnie Holley wurde zunächst mit seinen visuellen Kunstwerken bekannt und unternahm 2012 seinen ersten Ausflug in die professionelle Musik. MITH ist das dritte Album des Klavier-Autodidakten; wer zum ersten Mal mit seiner Musik in Kontakt kommt, könnte Schwierigkeiten mit Holleys lockerem Umgang mit Melodien und musikalischen Formen haben – sein sich ziemlich frei entfaltender Sound erinnert in verschiedenen Momenten an Tom Waits, Gil Scott-Heron oder RL Burnside. Zahlreiche Mitstreiter helfen mit, diese nicht-linearen Geschichten mit Musikbegleitung auszuschmücken und in etwas Konventionelleres und leichter Verdauliches zu verwandeln. Mit seinem Rauschen und Schwanken geht „There Was Always Water“ vermutlich als Jazz durch. Der leider viel zu früh verstorbene Richard Swift ist hier ebenso zu hören wie der Zither-Spieler Laraaji.
Doch dieses Album kauft man sich nicht nur deshalb: man kauft es sich vor allem wegen „I Snuck Off the Slave Ship“, einer außergewöhnlichen, 17-minütigen Klavier-Meditation voller Gewalt und Schönheit, und wegen Holleys „I Woke Up In A Fucked-Up America“, einer Tour de Force, die in der alptraumhaften Gegenwart angesiedelt ist und erkennen lässt, dass dieser Künstler seine Kraft aus den vielen Unbilden gewinnt, die er im Laufe seines Lebens überstanden hat.
Doch gelegentlich müssen auch Menschen in ihren Sechzigern, die aussehen wie Propheten, sich ein wenig entspannen und alles lockerer angehen, weshalb „Sometimes I Wanna Dance“ nicht wie gezwungene Leichtigkeit wirkt.
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