Yves Tumor: Safe in the Hands of Love (Warp)
Die heutige Jugend ist mit Musik-Streaming aufgewachsen, weshalb viele junge Menschen extrem viel verschiedene Musik kennen und regelmäßig hören, doch die Musiker beschränken sich zumeist auf ein oder zwei Genres und eine ganz bestimmte Ästhetik. Yves Tumor stellt diesbezüglich eine erfreuliche Ausnahme dar, denn er kümmert sich nicht weiter um einen bestimmten Stil, sondern macht, wonach ihm gerade der Sinn steht, was in zu einem Barden für unseren kulturellen Moment macht.
Der geheimnisvolle in Tennessee geborene Künstler, der derzeit in Italien lebt, hat bereits klappernden experimentellen Trap, altmodischen „lo-fi“ Boogie und verschiedenste andere Musik veröffentlicht.und springt auch weiterhin von Stimmung zu Stimmung und Stil zu Stil. „Honesty“ ist eine treibende analoge Techno-Nummer in der Art von Hieroglyphic Being: nüchternes, kräftiges 808-Klatschen treibt eine meckernde Gesangslinie eines unter Liebeskummer leidenden Tumor vorwärts. Dann macht er eine abrupte Wendung hin zum exzellenten „Noid“, einem Stück Breakbeat-Pop im Avalanches-Stil, das frech Polizei-Brutalität thematisiert. Dann kehrt er auf „Licking an Orchid“ zu eher liebeskranker Traurigkeit zurück, diesmal untermalt von einem Trip-Hop-Shuffle.
Es ist ein echtes Vergnügen, in den Sog dieser Spritztour zu geraten, und es funktioniert am besten, wenn man sich das gesamte Album in einem Stück anhört. Das imposante „Hope in Suffering“, auf dem Puce Mary und Oxhy einen langen Text sprechen, während sie mit klanglichem Hagel bombardiert werden, ist wunderbar losgelöst und wirkt vor allem deshalb so stark, weil es von den Tracks davor und danach geradezu eingeklemmt und damit gezähmt wird. Ähnlich, aber noch besser, ist die Schlussnummer „Let the Lioness in You Flow Freely“, ein rhythmischer Tornado elektronischer Klänge, der sich zu einem fünf Sekunden langen Stückchen 80er-Jahre-Pop verdichtet, ehe sie für immer verschwindet – das reinste und beste Beispiel für Tumors Alles-Plündern-Herangehensweise ans Sampeln. Es ist erfrischend, jemanden zu hören, der sich so wenig um Genres und ihre Grenzen schert.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen