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Julia Holter: Aviary (Albumkritik)

 

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Julia Holter: Aviary (Domino)

 

 

Zu sagen, dass Julia Holters fünftes Album dicht und schwierig ist, ist eine Untertreibung – in einer idealen Welt würde Aviary mit seiner eigenen Ausgabe von York Notes geliefert. Es ist mit literarischen Anspielungen, lateinischem Text und Textzeilen, die unter dem Gewicht impressionistischer Bedeutung zusammenzubrechen drohen, vollgepackt, und folglich ein Album, das schwer zu analysieren, aber leicht zu bewundern ist. Auf ihrem vorherigen Album, dem 2015 erschienenen Have You In My Wilderness, bewies Holter, dass sie ihre Avantgarde-Empfindsamkeit in mitreißende Popsongs quetschen kann. Diesmal hat die in Los Angeles lebende Musikerin die Zügel lockerer gelassen und eine Sammlung von Tracks geschaffen, die reichhaltig, ausladend und nur gelegentlich unerträglich undeutlich sind.

 

Holter hat gesagt, dass sie Aviary nutzen wollte, um über das aktuelle Chaos auf der Welt nachzudenken, und das wird vom ersten Moment an deutlich - „Turn the Light On“, den ersten Song dieses Albums, könnte man als Der Schrei in musikalischer Form bezeichnen. Über dem Krach und Kreischen eines überhaupt nicht funktionierenden Orchesters heult und klagt Holter, wobei ihre Stimme abwechselnd wie ein Nebelhorn und ein Schaf mit Vibrato klingt. Es findet ich hier ein Song namens „Everyday Is an Emergency“, der mit amüsant misstönenden Dudelsäcken beginnt, die in den Klang eines Alarms und zahlreiche Anspielungen auf den Krieg – sowohl antik aus auch modern – übergehen. Obwohl es sich mit dem aktuellen Zustand der Welt befasst, blickt Aviary klanglich aufs Mittelalter zurück, und zwar in Form von feierlichem, kirchlichem Gesang, Anspielungen auf Okzitantische Troubadourlieder und Bläserfanfaren – aber es setzt auch auf eine romantischere Art von Nostalgie, denn es erfreut daneben mit einer himmlischen Streichersektion, die die aggressiveren Sounds quasi in eine weiche Decke hüllt.

 

Ein großer Teil von Aviary ist geschaffen, um aufmerksam darüber nachzudenken, aber es finden sich auch einige unmittelbarere Momente. Das brillante und fesselnde „I Shall Love 2“ entwickelt sich langsamer zu einer Kammer-Pop-Ballade, deren dröhnende Qualität in Verbindung mit einem kindlichen Durcheinander an The Velvet Underground erinnert. „Whether“ ist ein fröhliches, schwungvolles Stück elektrischer Post-Punk, während „Les Jeux to You“ mit vergnügtem Staccato-Gesang in gebrochenem Englisch aufwartet, der an eigenwilligen Euro-Pop aus den 1970ern erinnert. Holter lässt nicht genug von diesen freudvollen Bröseln fallen, um die Hörer über die gesamten 90 Minuten dieses Epos gut zu unterhalten und zu fesseln, doch hier wird allen, die gewillt sind, durchzuhalten, ein Übermaß an Schönheit und Klugheit geboten.

 

 

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