Mumford & Sons: Delta (Gentlemen of the Road/Island)
Mumford & Sons bezogen sich während der Aufnahmen zu ihrem vierten Studioalbum immer wieder auf Talk Talk und Jai Paul, doch die elektronischen Klänge, die auf Delta zu hören sind, erinnern weniger an diese bekannten Pioniere, sondern leider viel mehr an die ärgerlichen Alt-J. Die koboldartigen Stimmeffekte von „Picture You“ und das konturlose dystopische Miasma von „Darkness Visible“ (der Soundtrack für eine Lesung aus Paradise Lost!) deuten auf eine neue Identitätskrise einer Band hin, die ihr letztes Album dazu nutzte, ihre ländliche Ästhetik zu überarbeiten und sich mehr wie The War on Drugs zu geben. Man kann es nur als peinlich bezeichnen, dass das neue Werk auch anklänge an Hip-Hop bietet: dem stolpernden Beat von „Rose of Sharon“ werden feenhafte Harmonien gegenübergestellt, während Marcus Mumford verkündet: “E’er our lives entwined.” Es ist weniger vom Musical Hamilton inspirierter Mashup, sondern etwas, das man am ehesten als Spotifycore bezeichnen kann, eine Genre-Durcheinander, das darauf abzielt, in allen Playlists enthalten zu sein.
Das ist wirklich schade. Mumfords verstanden es einst sehr gut, grundverschiedene Einflüsse zu vereinen. Ihre Mischung von festivaltauglichen Beats und Tempi und Banjo-Hoedowns war fürchterlich, aber genial – und diese Gabe scheinen sie verloren zu haben. Deltas Texte sind qualvoll ernsthaft (Schreie in die Schatten, frostige Worte, die im Inneren nachhallen, etc.), sie künden von tief empfundenen Krisen: „Beloved“ ist eine Hymne an einen sterbenden Großelternteil, „If I Say“ ist ein reifer Song über Ben Lovetts Scheidung, der darauf verzichtet, Schuld zuzuweisen, und in „The Wild“ spitzt sich eine tiefgreifende Angst vor dem Unbekannten zu, und zwar buchstäblich, denn der düstere Song geht plötzlich in Schlachtfeld-Fanfaren über. Diese vielen vermeintlich mitreißenden Momente sind unnötig und deuten darauf hin, dass die Band wenig Vertrauen in die Ruhe hat, die sie so gut beherrscht. Mumford and Sons sind robuster als die froschstimmigen Folkies, die sie inspiriert haben, und dieses Gewicht scheint nun auf ihnen zu lasten, was man Songs wie „Woman“ und „Wild Heart“ deutlich anmerkt.
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