Big Joanie: Sistahs (Ecstatic Peace Library)
Ein Blockflötensolo zu einem Song hinzuzufügen, ist ein mutiges Unterfangen, sofern man sich nicht in den Kreisen der Alten Musik bewegt. Aber das ist genau das, was mitten in Big Joanies Debütalbum passiert und es ist bezeichnend für die furchtlose Herangehensweise des Punk-Trios aus London an Dissonanz: das Holzblasinstrument durchbricht das unerbittliche Poltern von „Eyes“, das plötzlich in einen säuerlichen Walzer übergeht. Big Joanie wurden auf DIY Space for Londons First Timers Festival geboren, wo sich an einem Wochenende neue Bands formieren, Songs schreiben und diese auch gleich darbieten. Sie erarbeiteten sich einen Ruf als guter Liveact, indem sie als Vorgruppe von Bands wie Parquet Courts und Downtown Boys auftraten; außerdem sind sie sehr aktiv bemüht, schwarzen Punks in der britischen Musik mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen.
Ihr Sound überzeugte Thurston Moore so sehr, dass er Sistahs auf seinem Label The Daydream Library veröffentlicht. Auf „Fall Asleep“ kreieren sie mit Hilfe einer monoton gezupften Gitarre und prickelnder Synthesizer eine fast klaustrophobische, tunnelartige Stimmung; Sängerin und Gitarristin Stephanie Phillips kontrastiert ihr schelmisch prahlerisches Spiel auf „Tell a Lie“ mit gesanglicher Reserviertheit; und das matschige Gitarrrengrummeln, das „Way Out“ antreibt, widersetzt sich standhaft jeder Auflösung. Phillips, Bassistin Estella Adeyeri und Schlagzeugerin Chardine Taylor Stone singen oft unisono, wobei sie auf „Used to Be Friends“ einschüchternd, aber auf dem entzückenden „How Could You Love Me“, das ganz auf klassische Girl-Group-Depression setzt, verletzlich. Die Wirkung ist unwiderstehlich verstörend, aber mitunter wenig befriedigend, da ihre selbstbewussten, komplexen Texturen auf allen 11 Songs in allzu ähnliche Strukturen gepresst werden. Mehr Songs wie das unbezähmbare „It’s You“, das den schwachen Liebhaber, den sie in den Strophen anklagen, bannt, wären schön gewesen.
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