Carly Rae Jepsen: Dedicated (Schoolboy/Interscope)
Sie wird wohl für immer sofort mit „Call Me Maybe“ assoziiert werden, aber Carly Rae Jepsens echtes Kennzeichen ist der Kontrast zwischen Unschuld – es verschlägt ihr allem Anschein nach aus lauter Ehrfurcht vor dem Potenzial der Liebe stets den Atem – und einer wilden emotionalen Intensität, die andeutet, dass ihre Liebhaber bloße Leiter für Empfindungen sind:“Take me! To the! Feeling!”, sang sie einst.
Auf Emotion, ihrem Kultalbum aus dem Jahre 2015, setzte Jepsen auf geradezu lüsterne Saxophon-Soli, um diese Dekadenz zum Ausdruck zu bringen, doch Dedicated ersetzt diesen Bombast selbstbewusst durch dezenten, düsteren Disco-Pop. Sie schmettert weniger, aber hinterlässt einen stärkeren Eindruck, wenn sie mehr oder weniger in das sanft funkige „Julien“ schwindet oder sich auf dem lockereren „No Drug Like Me“ verführerisch gibt oder frech als Cyndi Lauper auf „Want You in My Room“.
Daneben brilliert sie aber auch in großen Show-Momenten, etwa „Everything He Needs“, das rund um ein Klavier-Riff aufgebaut ist, das deutlich von „Bennie and the Jets“ inspiriert ist, wobei sie mehr von sich selbst enthüllt. In der leidenschaftlichen Tagträumerei „For Sure“ wiederholt sie nach einem unerwarteten Rendezvous mit einem Ex endlos die Phrase “I’ve been thinking we were over”, die sie mit Überraschung und Bedauern durchtränkt. Auf „The Sound“ wird momentan Ärger deutlich, während sie “you make me so tired” geradezu ausspuckt, ehe ein gewinnend harter Refrain ihre Arbeitsweise als Songwriterin zusammenfasst: “I don’t need the words / I want the sound.”
Selbst die Single (und fast schon Neuauflage von „Call Me Maybe“) „Party for One“ funktioniert als kecke Code: sie ist weniger die Masturbationshymne, als die sie angekündigt wurde, sondern eher eine Anspielung auf ihre Entschlossenheit und die Intimität, die sie mit Fans verspürt – und die sollten dank des wunderbaren Dedicated deutlich mehr werden.
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