Bill Callahan: Shepherd in a Sheepskin Vest (Drag City)
Online hat der “wife guy” einen ziemlich schlechten Ruf – er ist “worthy of suspicion because he appears to be using his devotion to his wife for personal gain”, so formuliert es zumindest die New York Times. Deshalb mögen manche Bill Callahans neuestem Album mit einem gewissen Argwohn begegnen - 20 Songs aus seiner Perspektive als frischgebackener Ehemann und Vater. Doch trotz brillant schlitzohriger Zeilen wie “I got the woman of my dreams / And an imitation Eames” („What Comes After Certainty“) ist Shepherd in a Sheepskin Vest weder eine Prahlerei, ein treuliebender Ehemann zu sein, noch Übelkeit erregend.
Stattdessen nutzt der 53-jährige Künstler seine (für ihn) überraschende Fähigkeit zur Zuneigung, um über seine Verantwortung für diese zu sinnieren, wobei er erkennt, dass er seine Herzensgüte weiblichen Kräften (seine Ehefrau und seine verstorbene Mutter; die Geschenke von Song und Sonnenaufgang in „Writing and Morning Is My Godmother“) verdankt, was ihn dazu veranlasst, die Gewaltbereitschaft („Released“, eine wütende, politisch angehauchte Allegorie) und den Isolationismus zu hinterfragen, die der traditionellen Männlichkeit innewohnen. Das, stellt er fest, kann er ändern: “The house is full of whatever I bring to the table”, singt er auf „Son of the Sea“; „Tugboats and Tumbleweeds“ bietet seinem jungen Sohn Ratschläge.
Ungeachtet seiner Laufzeit von einer Stunde gibt es nur wenige Alben, die so umfassend sind. Die akustischen Arrangements und mit dem Besen gespielten Drums erweitern das Gefühl der Unendlichkeit, das es vermittelt, und Callahan entwaffnet mit Humor und subtil erschütternden Einsichten, ebenso scharfsinnig bei der Betrachtung des Familienlebens aus nächster Nähe wie bei der Auslotung der Existenz mit dem Weitwinkelobjektiv: auf „747“ stellt er sich vor, die Sonne über den Wolken repräsentiere die Reinheit der Existenz seines Sohnes vor seiner Geburt, das Licht, das er sah, “before our eyes could disguise true meaning”. Doch Callahan bleibt im Einklang damit: das profunde, bewegende Shepherd scheint die tiefsten Wahrheiten des Lebens zu enthalten.
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