Susan Boyle hat die Welt gelehrt, nie ein Buch nach dem Umschlag zu beurteilen – nicht einmal ein haariges Buch, das sich wie eine Obdachlose kleidet.
Auch nicht, wenn es unangenehm riecht. Und dank dieser zeitgerechten Lektion werde ich mich hüten, Susan Boyles Buch anhand seines Umschlages zu beurteilen, wenn es irgendwann im Laufe des Jahres auf den Markt kommt. Es spielt keine Rolle, was auf dem Cover zu sehen sein wird – ein großes Photo von Susan Boyles Gesicht, ein großes Photo von Susan Boyle, wie sie in der Badewanne sitzt und Champagner trinkt, oder eine herzig gezeichnetes Kätzchen – ich werde das Buch selbst nicht danach beurteilen. Stattdessen werde ich Susan Boyles Buch ausschließlich nach seinem literarischen Wert beurteilen, weshalb es mich aller Wahrscheinlichkeit nach ziemlich enttäuschen wird.
Susan Boyle veröffentlicht also im Laufe des Jahres ihre Autobiographie. Zügeln Sie Ihre Begeisterung.
Das Gewinnendste an Susan Boyle ist übrigens der Umstand, dass viele Menschen wissen möchten, wie es ist, sie zu sein. Präziser, wie es ist, die jetzt sie zu sein – hätten sie wissen wollen, wie es war, in der Zeit vor „Britain´s Got Talent“ Susan Boyle zu sein, hätten sie sich nur wie eine sehbehinderte Sozialarbeiterin anziehen, das Zähneputzen einstellen und für ein paar Tage im Wald leben müssen.
Stattdessen möchten die Leute wissen, wie Susan Boyle mit dem plötzlichen Ruhm fertig wurde, mit all den Veränderungen und den Nervenzusammenbrüchen. Sie hatte einen Traum, und es war ein Traum von Menschen, die sie gönnerhaft behandeln, weil sie recht gut singen kann, obwohl sie nicht gerade attraktiv aussieht – und darüber möchten die Leute mehr erfahren.
Und darüber werden sie zum Glück mehr erfahren, denn es wurde verkündet, dass Susan Boyle an ihrer Autobiographie arbeitet. Hurra! Die New York Times berichtet:
[Der Verlag] Transworld verlautbarte, dass das Buch… „The Woman I Was Born To Be“ heißen soll. [Susan Boyle sagte] „Als ich für dieses vorsingen auf die Bühne ging, war ich ein ängstliches kleines Mädchen, trauerte noch immer um meine Mutter und kümmerte mich nicht um mein Aussehen. Ich glaube, dass ich im letzten Jahr erwachsener geworden bin, mich zu einer Dame entwickelt habe, ich bin auch nicht mehr so ängstlich.“
In einer Welt, in der jeder halbvergessene ehemalige Prominente eine von einem Ghostwriter verfasste Autobiographie auf den Markt wirft, wird es für Susan Boyles „The Woman I Was Born To Be“ schwer werden, aus der Masse herauszustechen. Das buch muss die Erregung, den Schock, die Überraschung einfangen, die ihren ersten Fernsehauftritt zu einem weltweiten Ereignis gemacht haben. Und so kann sie das schaffen:
1 – Im ersten Kapitel sollte Susan Boyle laute Musik und Applaus vom Band spielen und immer wieder Photos von Simon Cowell einfügen, der sie alle drei, vier Zeilen verträumt ansieht. Das wird sie besser aussehen lassen als sie tatsächlich ist, so dass die Leute, wenn sie zu Kapitel zwei kommen und feststellen, dass das Buch nur durchschnittlich und nicht brillant ist, emotional schon viel zu engagiert sind, als dass es sie noch stören könnte.
2 – Susan Boyle sollte das Buch mit der Hand schreiben, und zwar in der schlechtesten möglichen Handschrift, und sie sollte absichtlich jedes fünfte Wort falsch schreiben. Derart werden die Leute das Buch mit Lob überhäufen, weil sie fälschlicherweise glauben, dass sie, indem sie vorgeben, etwas so unbeholfenes und plumpes zu lieben, menschlicher und aufgeschlossener wirken als sie tatsächlich sind.
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