The Technomancer wirkt wie ein Rollenspiel aus den 90-ern, das auf einem Comicbuch aus den 80-ern basiert.
Das ist natürlich nicht der Fall. Das Spiel wurde erst in diesem Monat veröffentlicht und basiert auf keinem bereits vorhandenen Material, sondern ist eine ganz neue „property“, die von Spiders (Das ist der Name des Entwicklerstudios... dieses Spiel wurde nicht von Spinnen gemacht) zusammengeschustert wurde. Doch wenn man es mit dem vergleicht, was man sich heutzutage von einem ambitionierten Sci-Fi-Abenteuer erwartet, wirkt irgendetwas daran nicht ganz richtig.
Testberichte/Reviews dieses Spiels (dies ist keiner, sondern nur ein erster Eindruck) waren nicht gerade freundlich – und das kann ich verstehen. Dieses Spiel ist, ein besserer Ausdruck fällt mir momentan nicht ein, billig. Es ist ein Action-Rollenspiel, das versucht, Mass Effect mit The Witcher Einschlag zu sein, aber über weite Strecken nicht einmal ansatzweise an diese beiden Spiele herankommt.
Die Gesichter der Charaktere sehen veraltet aus. Die Musik und der Sound insgesamt sind schrecklich. Das Skript und die Sprecher (zumindest in der englischen und deutschen Sprachfassung, da Spiders ein französisches Studio ist) sind grottenschlecht. Die Kämpfe wirken schwerfällig und irgendwie abgehackt, ruckelig. Jemand, der dem Spieler beim Spielen über die Schulter schaut, müsste dieses Spiel für ein Desaster halten, nicht zuletzt deshalb, weil es als Premiumtitel zum vollen Preis erhältlich ist, nicht als preisgünstiger Indie-Titel.
Und trotzdem.. The Technomancer hat etwas Einnehmendes an sich. Das beginnt mit diesem albernen Namen und erstreckt sich auf die Story und die visuelle Gestaltung und den Umfang des ganzen Projekts. Dies ist das kleine Rollenspiel, das konnte.
Was für viele Spieler und Kritiker Mängel sind, ist für andere etwas, das den besonderen Reiz dieses Spiels ausmacht. Die visuelle Gestaltung, die man am ehesten als Red Faction trifft auf Mad Max mit einer Prise David Lynchs Dune bezeichnen könnte, sieht auf den ersten Blick genretypisch aus, zum Vergessen. Und die Sprecher sind zwar mit Enthusiasmus bei der Sache, doch sie scheinen nie ganz den richtigen Ton zu treffen.
Doch je länger man spielt/leidet, desto mehr wächst es einem aus irgendeinem Grund ans Herz; desto mehr bemerkt man auch, trotz der anfänglichen Ähnlichkeiten, die es mit anderen Spielen hat, und trotz der Mängel bei der Präsentation, eine zugrundeliegende liebenswerte französische Seltsamkeit. Was zunächst vertraut wirkte, fängt an, einen zu fesseln.
Können Sie sich noch daran erinnern, wie viele Leute Zeno Clash trotz seiner zahlreichen Mängel sehr mochten? Und Vampire: Bloodlines? Und sogar E.Y.E: Divine Cybermancy? Ja, mit diesem Spiel verhält es sich ganz ähnlich. Sehen Sie sich einfach den folgenden Clip an. Falls Sie meinen, dies sei gut/abgedroschen und kitschig genug für Sie, sollten sie wissen, dass dies im Grunde der Ton des gesamten Spiels ist.
Neben den kreativen Aspekten, die nicht fassbar sind, gibt es noch weiteres, das man anerkennen muss, wenn man es auch nicht immer vergnüglich finden mag. Die Kämpfe, die einander letztlich stark ähneln und sich allzu oft wiederholen, sind nicht schlechter als die in The Witcher 3 und übertreffen CD Projekt Reds Bemühungen, was die Möglichkeiten anbelangt, die Herangehensweise an die Kämpfe dem eigenen Spielstil anzupassen (es gibt mehrere sehr unterschiedliche Kampfstile, auf die man sich konzentrieren kann). Und falls Sie sich je darüber beklagt haben, dass den zeitgenössischeren Rollenspielen gewisse Elemente fehlen, werden Sie sich freuen zu hören, dass manches von dem, was Sie sich wünschen, hier finden, denn bei den Ausrüstungs- und Fähigkeiten-Upgrades gibt es viele Möglichkeiten, kleinere und größere Anpassungen vorzunehmen und mit verschiedenen Aspekten herumzuprobieren.
Und verdammt, man muss einfach bewundern, was ein kleines Team hier versucht hat. Dies ist kein Retro-Platformer, sondern ein großes, komplexes Ding, wie es normalerweise von Teams mit mehreren hundert Mitarbeitern gemacht wird (und mit einem Budget im zweistelligen Millionenbereich). Es mag zwar nicht die Höhen erklimmen, auf die es abzielte, aber der Umstand, dass es mit all diesen Features überhaupt gemacht wurde, ist beeindruckend.
Ich sage nicht, dass Sie sich dieses Spiel sofort besorgen sollen (dies ist kein Testbericht!). Ich bin der Ansicht, dass es stark darunter zu leiden hat, dass es zum vollen Preis angeboten wird und so mit Spielen konkurrieren muss, die viel sorgfältiger umgesetzt wurden. Was ich sage, ist, dass dies ein verrücktes Spiel ist, dass Sie trotz seiner Fehler irgendwann einmal spielen sollten, wenn Sie das erste Mass Effect, ältere Witcher Spiele oder KOTOR gespielt haben und sich fragen, warum heutzutage niemand mehr solche Spiele macht und was passieren würde, wenn es jemand versuchte. Und scheiterte. Aber auf bemerkenswerte Weise scheiterte.
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