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David Byrne: American Utopia (Albumkritik)

 

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David Byrne: American Utopia (Nonesuch)

 

 

Der Möchtegern-Roland-Barthes der fünf Stadtteile setzt seine koboldartige Vernehmung der zeitgenössischen Kultur fort. Wie immer konzentriert er sich dabei auf das banal Zeug des alltäglichen Yuppietums – Geld, Autos, Tourismus, Shopping – und das ganze Album hindurch ist eine Once in a Lifetime-artige Unruhe zu spüren. Aber wie ein evangelistischer Silicon-Valley-Unternehmer entdeckt er in dieser Unruhe, ja Angst, Potenzial und sogar eine Art Poesie. Der Titel dieses Werks ist, wie er mehrmals betonte, nicht ironisch: Byrne scheint zu hoffen, wie der ultimative “centrist dad”, dass wir unsere kapitalistische Kultur in eine progressivere Richtung steuern können.

 

Mehr Ideen also, als die meisten Künstler versuchen, aber die Darbietung ist sehr uneinheitlich. „Every Day Is a Miracle“ erfreut mit einer reizenden, anschwellenden Melodie im Refrain, aber sein Text ist toxisch schrullig, voller himmlischer Hühner und Elefanten, die Zeitungen ignorieren. Byrnes Menagerie wird auf „Dog’s Mind“ größer, einer säkularen Hymne, die die verwöhnten Angehörigen der Mittelschicht mit ihren Hunden vergleicht: “Now a dog cannot imagine / What it is to drive a car / And we, in turn, are limited / By what it is we are.” Das Album ist voll mit Erklärungen wie dieser, die darauf abzielen, Zen Kōans für ein Smartphone-Zeitalter zu sein, aber intellektuell zu kurz gegriffen sind.

 

 

Es gibt auch prosaischere Probleme. Der theatralische Byrne trägt viele Songs wie große Shownummern vor, was man, selbst wenn man diese Ästhetik ärgerlich findet, als ein wissentliches Effekthascherei deuten kann. Aber er ist unverzeihlich verliebt in das obere Ende seiner Stimmlage, weshalb zu hören ist, wie er sich anstrengt, um einige der hohen und wichtigen Noten zu erreichen, wobei er mitunter an jemanden erinnert, der beim Karaoke einen Song von Whitney oder Adele ausgewählt hat und entschlossen ist, deren Stil bis zum bitteren Ende durchzuhalten. „Everybody’s Coming to My House“ und „Every Day Is a Miracle“ werden dadurch schwer beschädigt.

 

Die Begleitmusik, die zusammen mit 25 Mitstreitern geschaffen wurde, ist von gemischter Qualität - Daniel Lopatins Alt-R&B-Produktion auf „This Is That“ ist wunderschön großräumig und traurig, doch Brian Enos viel zu durchdachtes Drum Programming ist blechern und lässt jeden Funken Funk vermissen und wartet auf „Doing the Right Thing“ mit dem höflichsten Drum’n’Bass Breakdown aller Zeiten auf. Byrne ist ein zu instinktiver Songwriter, um das Ziel je völlig zu verfehlen, und sein Talent für Melodien hat ihn nicht verlassen, doch dieses Album gleitet immer wieder in eine grausige Dystopie des Kitsch ab.

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